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15 – eine schreckliche Zahl

29.12.08 by Charly Speaks

Fünfzehn, eine schreckliche Zahl

1.Kapitel

Langsam öffnete ich die Augen. Warme Sonnenstrahlen vielen mir ins Gesicht. Da hörte ich auch schon Schritte. Meine Zimmertür wurde aufgerissen und kurz darauf hatte ich meinen kleinen Bruder auf mir liegen. “Hääääääppi Bööörsdei!!!” brüllte er mir ins Ohr. “Guten Morgen, Josh!” grummelte ich entnervt. Dass er mich geweckt hatte war ein riesiger Fehler. Warum ließ man mich nicht mal an meinem Geburtstag ausschlafen?
Und schon standen meine Eltern in der Tür. Meine, in ihrem Rüschchennachthemd bekleidete, Mutter balancierte auf den Händen eine riesige Erdbeertorte und stellte sie auf dem Nachttisch ab. Mein Vater blieb in der Tür stehen und lächelte mich an. “Alles Gute, mein Schatz!” sagte er mit Freudentränen in den Augen, kam auf mich zu und drückte mich, während meine Mutter die Torte in Stücke schnitt und meinen Bruder daran hinderte, das erste Stück zu essen. “Das bekommt Julie, Joshua!” sagte sie ständig. Als sie fertig war reichte sie mir unter dem glücklichen Grinsen meines Bruders das erste Stück. Dann gab sie Joshua das nächste Stück. Als wir endlich jeder ein Stück Torte hatten, kam mein Vater mit einer Unmenge Geschenken im Arm herein. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er hinausgegangen war um sie zu holen, doch, dass meine Geschenke jetzt da waren, reizte mich, sie sofort auszupacken. Ich hatte das Gefühl, dass mein Bruder sich mehr über die Ankunft meiner Geschenke freute als ich. Er stopfte sein Stück Torte in den Mund, krümelte dabei mein ganzes Bett voll und rannte zu einem kleinen Geschenk. “Das ist meins! Das ist meins!”
“Dave, kannst du Joshua bitte in die Schule bringen?” bat meine Mutter meinen Vater, der Joshua daraufhin packte und hinausbrachte. “Pack aus, mein Schatz!” drängte meine Mom. “Sofort. Die Torte ist voll lecker, hast du die selbst gemacht?” Stolz nickte meine Mutter und drückte mir Joshuas Geschenk in die Hände. “Er hat sich so viel Mühe beim Einpacken gegeben, Liebes. Pack aus!” Ich beäugte skeptisch das schludrig und unsauber verpackte Geschenk und dann meine Mutter. “Das sieht man, dass er sich Mühe gegeben hat!” gab ich grummelig zurück. “Julie, er ist doch erst sieben!” trotzig riss ich das Papier auf und starrte ungläubig den Inhalt an. “Mom! Das ist ein selbstgebasteltes…ETWAS! Aus Müll!”
“Das ist ein…Flugzeug! Genau. Ein Flugzeug ist das.” Anscheinend freute sich meine Mutter einen Begriff für diesen Haufen Müll gefunden zu haben. “Aber es hat doch überhaupt keine Tragflächen und…” Doch schon wurde mir das nächste Geschenk in die Arme gedrückt. Nach einiger Zeit hatte ich einen H&M-Gutschein, ein Kissen, eine Kamera, ein Handy und einen Haufen zusammengeklebten Müll, der sich Flugzeug nannte, auf meinem Bett liegen. Meine Mutter griff die Torte und verschwand mit einem breiten Lächeln aus dem Zimmer. Schnell zog ich mich an, schnappte mir das neue Handy und meine Schultasche und hastete ins Bad um mir noch schnell die Haare zu kämmen. Vor dem Spiegel blieb ich jedoch entsetzt stehen. Ich sah grässlich aus. So konnte ich an meinem Geburtstag doch nicht in die Schule gehen! Schnell kämmte ich mir die Haare und schaute mich nach etwas Brauchbarem für mein entstelltes Gesicht um. Nachdem ich mir einen Haufen Schminke ins Gesicht gepappt hatte und endlich mit mir zufrieden war, wollte ich gerade aus dem Bad stürmen, als mir meine Mutter entgegen kam und mich entgeistert anschaute. Doch bevor sie mir Vorwürfe und Kommentare machen konnte, sagte ich einfach: “Mom, ich hab heute Geburtstag. Ich darf das!” Damit stellte ich sie ruhig und ging endlich zur Tür. Doch meine Mutter hielt mich auf und streckte mir ihr Gesicht entgegen. “Küsschen!” sagte sie. Angewidert blickte ich sie an, drängte mich an ihr vorbei zur Tür und murmelte, dass ich kein kleines Kind mehr sei.
Als ich den Schulhof betrat kamen mir Melly, Judith, Cathrin, Tyler und Evy entgegen. “Hey, Julie! Alles Gute!” rief mir Evy entgegen. Schließlich umarmten mich alle und wünschten mir alles Gute. “Was hast du bekommen?” fragte mich meine beste Freundin Tyler. “Ein Handy, einen Gutschein für H&M, eine Kamera und so ein Kissen. Aber heute Nachmittag kommen meine Verwandten und bringen mir noch ein paar Sachen mehr mit!” antwortete ich grinsend. Da klingelte es schon und wir gingen in unseren Klassenraum.
Mathe! Und das an meinem Geburtstag. Konnte dieses Fach nicht einfach abwählbar sein? Wozu musste man wissen, dass
(a+b)²=a²+2ab+b² ist? “Wer braucht bitte binomische Formeln?!” flüsterte ich Tyler zu. Ich jedenfalls nicht, dachte ich mir und langweilte mich ein wenig. So zeigte ich Tyler mein neues Handy unter dem Tisch und wir schickten eine SMS an Brian, den Klassenstreber, der immer sein Handy im Unterricht an hatte. Kurz darauf lag sein Handy auf dem Lehrertisch, Brian warf uns böse Blicke zu und Ty konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
Alles lief bestens und wir amüsierten uns noch köstlich, als Ty das Handy auf dem Tisch klingeln ließ und unseren Lehrer, Herrn Benson, einen miesen und langweiligen Perfektionisten, völlig aufschreckte.
Doch schließlich musste auch an meinem Geburtstag mal etwas schiefgehen, wie jeden Tag, oder? Und so kam es, dass es an der Tür klopfte. Alle blickten erstaunt auf. Herr Benson rief den ‘Störenfried’, der einzigen ordentlichen Unterrichtsstunde an dieser Schule (so etwas sagte er gleichzeitig), herein. Dieser Jemand war niemand Anderes als…MEINE MUTTER! Sie blickte sich in der Klasse um und sagte zu meinem Entsetzen: “Hallo Kinder! Und, macht euch der Unterricht Spaß? Naja, ich möchte auch gar nicht lang stören. Ich wollte Julie nur kurz die Süßigkeiten für ihren Geburtstag mitbringen!” Meine Mutter kam an meinen Platz gestöckelt und drückte mir eine Tüte in die Hand. “Die hast du liegengelassen!” sagte sie zu mir gewandt “Mom, in meinem Alter verschenkt man keine Süßigkeiten, wenn man Geburtstag hat!” zischte ich ihr zu und gab Tyler unter dem Tisch mein Handy, damit meine Mutter es nicht sah. “So, Kinder!” sagte meine Mutter und ging Richtung Tür “Ich muss jetzt wieder gehen. Kussi, Julieschatz!” trällerte sie nichtsahnend, welchen Schaden sie damit anrichtete. Ich versank ganz langsam unter meinem Tisch und nutzte die Zeit, die meine Mutter noch alle Aufmerksamkeit auf sich zog, um zu verschwinden. Doch als sie aus der Tür verschunden war brachen alle in ein schallendes Gelächter aus und guckten mich an. Selbst Tyler prustete laut los und musste sich an mir festhalten um nicht vom Stuhl zu fallen. Ich spürte sehr deutlich wie ich knallrot wurde und wünschte mir auf der Stelle unsichtbar zu werden.
“Ach komm, Julie! So schlimm war das nun auch nicht.” versuchte mich Tyler nach der Schule zu trösten. “Ich find deine Mutter voll korrekt! Ok, ein bisschen peinlich ist sie auch, aber…”
“Ein bisschen? Du hast sie ja nicht mehr alle. Das war das Peinlichste überhaupt. Ich meine, dass meine Mom mich, als ich zwölf war, mal im Kaufhaus durch den ganzen Laden hinweg gefragt hat, ob ich schon meinen ersten BH haben wollte, war schon peinlich. Aber das…”
“…hat uns jetzt ein paar Minuten Mathe erspart und außerdem waren die Muffins von deiner Mom voll lecker! Denke positiv, Julie!” Tyler grinste mich an und wir gingen Arm in Arm nach hause. Als ich den Haustürschlüssel aus meiner Tasche kramte, schaute Tyler nachdenklich zur Tür. “Ist es deinen Eltern auch wirklich recht, wenn ich heute bei dir bin?”
“Jaja, klar ist es ihnen recht! Ist doch mein Geburtstag, oder?” Als wir eintraten sah ich schon meine ganze Familie im Wohnzimmer sitzen und Kuchen essen. Nun stürmte meine kleine Cousine Amy auf mich zu und umarmte mich. Seit ich ihr ein bisschen zeichnen beigebracht hatte, war ich ihr großes Vorbild, was mich mit der Zeit ziemlich ankotzte. “Ja, Amy! Ich hab dich auch lieb.” sagte ich und führte sie zurück ins Wohnzimmer. “Tyler, darf ich dir meine Familie vorstellen? Also Oma Dina, Opa Edward (“Nenn mich Ed, Liebes!” sagte er an dieser Stelle zu Tyler, woraufhin ihn meine Mutter vorwurfsvoll anschaute), meine andere Oma Grace, mein Onkel George, Tante Citty, Joanne, meine Cousine, Amy, mein Cousin Lee, Uropa William und meine Großtante Liza.” bei jedem Familienmitglied nickte Tyler höflich und lächelte nun freundlich wie sie war in die Runde. “Ok!” sagte meine Mutter “Julie? Deine Geschenke sind in deinem Zimmer. Ihr könnt ja Joanne, Amy und Lee mitnehmen! Ich mache dann schonmal Kaffe und Tee fertig!”
So gingen wir alle gemeinsam in mein Zimmer und amüsierten uns ‘prächtig’! Ich packte meine Geschenke aus, Tyler sah mir zu und sagte zwischendurch mal “Oh, wie toll!” oder “Wow, das hab ich mir auch gewünscht!”, Amy zeichnete an meinem Schreibtisch, Joanne kaute an ihren Fingernägeln und kämmte sich zwischendurch nervös die Haare mit einem kleinen Kamm und Lee (er war schon siebzehn) stand in einer Ecke und schaute aus dem Fenster. “So!” sagte ich, als ich fertig war “Wollen wir jetzt noch ein Spiel oder so spielen?” Wie ich meine Verwandtschaft kannte hatte keiner von ihnen Lust ein Spiel zu spielen. Die einzige Reaktion darauf war, das Amy sagte: “Schau mal, Julie! Ich hab ein Bild für dich gemalt!” Ich drohte zu verzweifeln. Das war ja vielleicht reizend. Meine Familie scherte sich einen Dreck darum meinen Geburtstag so schön wie möglich zu machen. “Also kommt, Leutz! Ich habe eine Idee. Wie wäre es, wenn wir WWoP oder Flaschendrehen spielen. Ich find das immer lustig!” versuchte Tyler die Situation zu retten. “Mmh.” brummte Lee nach einer Weile und blickte mich an “Was haltet ihr von ‘Du musst Gewinnen oder ich schlag dich’? Das ist ein ganz tolles Spiel!” Alle schauten Lee verdutzt an. “Also! Jeder bekommt einen Stapel Karten. Dann ziehen wir alle gleichzeitig die Oberste und zeigen sie den anderen. Wer die Höchste hat darf die anderen mit seinem Kartenstapel ohrfeigen und bekommt die ‘Verliererkarten’ der anderen aus dieser Runde. Eigentlich wie Trumph. Falls euch das was sagt.”
“Und was ist, wenn zwei die gleiche Karte haben?” fragte Tyler neugierig. “Ganz einfach! Sie duellieren sich gegenseitig nocheinmal und wer da die Höhere hat hat dann gewonnen.”
“Na, denn!” grummelte Joanne “Ich glaube, ich geh mal zu den anderen ins Wohnzimmer!”
Wir begannen zu spielen und Joanne machte sich schnell aus dem Staub. Ich hatte das Gefühl, dass dieses Spiel nur Lee Spaß machte. Amy heulte schon, weil Lee sie ein ‘bisschen’ zu fest georfeigt hatte und Tyler und ich hatten auch schon ganz rote Wangen. Nach einer halben Stunde gaben wir uns geschlagen. Tante Citty kam rein und sagte, dass sie jetzt leider gehen müssten. Also verabschiedeten sich Amy, Joanne, Lee, Onkel George und Tante Citty und verschwanden. Auch die anderen gingen so langsam und gegen sieben Uhr war unser Haus wieder leer. “Sorry, Julie. Ich muss auch gehen. War aber cool heute. Sehen wir uns morgen in der Schule?”
“Klar. Bis dann.” Tyler ging nach hause und ich besah mir noch einmal alle meine Geschenke. Von Tante Citty und Onkel George hatte ich ein Buch über Elfen und Zauberer geschenkt bekommen. Dann waren da noch zwei andere Bücher und ein echter Bergkristall aus Thailand von Oma Dina und Opa Edward. Von Oma Grace war da nur die Einladung bei ihr Kaffee trinken zu kommen (Sie ist immer so sparsam mit dem Geld). Uropa William hatte mir zehn Euro gegeben und das Geschenk von Großtante Liza hatte ich noch gar nicht ausgepackt. Sie hatte mich gebeten damit zu warten bis alle wegwaren. Nun besah ich es mir genauer. Oben waren viele Löcher eingestanzt und es hatte die Form eines überdimensionalen Schukartons. Sofort öffnete ich es und erstarrte. In dem Schuhkarton war ein kleines Kätzchen! Mit großen Augen starrte es mich an, als wollte es mir sagen: “Behalte mich!”. Meine Eltern wollten mir nie ein Haustier schenken und ich konnte mich noch gut daran erinnern, dass ich mich darüber mal bei Großtante Liza ausgelassen hatte. Jetzt war es so weit. Ich hatte ein richtiges Haustier…und warscheinlich bekam ich gleich den größten Ärger des Jahrhunderts. Denn in diesem Augenblick kam mein Vater herein. “Was ist das?” sagte er und deutete auf den Karton. “Das ist eine Katze, Dad!” antwortete ich ruhig. “Woher kommt die…die…dieses VIEH?” entsetzt starrte mich an und kam vorsichtig, als ob er ein bissiges Monster erwartete, näher. “Großtante Liza hat es mir geschenkt!”
“Aber du hast sie als erstes natürlich darum gebeten, stimmt es?” Er trat noch näher und glotzte nun mit großen Augen in den Karton. “Nein, habe ich nicht!Sie…”
“Doch das hast du bestimmt!” unterbrach er mich schrill und schaute sich vorsichtig um als könnte jemand hinter ihm stehen und uns belauschen. “Aber du hast ihr ganz bestimmt mal gesagt wie sehr du dir ein Haustier wünscht!”
“Nein!” log ich. “Aber wie…” in diesem Augenblick erschien Mom in der Tür. “Was ist denn hier…” doch weiter kam sie nicht. Ich bemerkte wie ihr Blick von meinem Vater zu mir wanderte und schließlich am Kätzchen hängen blieb. “Aaaaarrrgghh!” mehr brachte sie nicht heraus. Auf der Stelle rannte sie aus dem Zimmer und ich hörte wie sie eine Nummer ins Telefon tippte. In meinem Zimmer war es nun still. Gelegentlich vernahm ich noch ein paar entsetzte Ausrufe meiner Mutter. “Wir müssen sie wegbringen, Julie!” Ich traute meinen Ohren nicht. “Aber, Papa!” widersprach ich, doch mein Vater brachte mich mit einer Geste zum Schweigen. Nun kam was natürlich auch noch zu meinem “perfekten” Geburtstag kommen musste. Josh kam in mein Zimmer. “Wow. Eine Katze! Ist das jetzt unsere? Wie heißt die? Darf ich ich ihr einen Namen geben? Ist die ein Junge oder ein Mädchen? Kann ich die mal streicheln?”
“Nein, Joshua!” rief mein Vater erbost und prompt kam meine Mutter wieder und brachte Josh, der nun heulte, aus dem Zimmer.
“Julie!Sei uns nicht böse, ja? Aber, wir glauben einfach, dass du keine Verantwortung für so ein Haustier tragen könntest!”
“Klar könnte ich!Ich…”
“NEIN! Und damit ist jetzt basta!”
“Ihr seid so mies!” brüllte ich meinen Vater an und warf mich auf mein Bett. Dad nahm daraufhin den Karton und verließ mein Zimmer. Ich begann zu weinen. Jetzt hatte ich einmal ein Haustier und da wurde es mir sofort wieder weggenommen! Das war so gemein. Ich stand auf und trat gegen alles was nicht sofort kaputt gehen konnte. “Julie, Liebes! Deinem Vater und mir tut das alles sehr leid!” Meine Mutter war eingetreten, packte mich mit sanfter Gewalt und setzte mich auf mein Bett.
“Das ändert aber nichts an den Tatsachen!” rief ich wütend und entwandt mich ihrem Griff. “Julie! Wir kaufen dir dafür etwas anderes. Etwas ganz Tolles!”
“Nein!” Ich stand auf und wandte ihr den Rücken zu, auf dem ich dannach lange Zeit ihre nachdenklichen Blicke spürte. Schließlich verließ sie das Zimmer. Ich legte mich wieder auf mein Bett und stellte mir vor wie schön es doch wäre eine Katze zu haben. Irgendwann schlief ich dann ein.

2.Kapitel

Ich lief die Straße entlang. Wo war ich eigentlich? Zuhause? Plötzlich stolperte ich und fiel hin. Alles wurde schwarz und als ich aufwachte stand ein Junge über mich gebeugt und tupfte mir mit einem nassen Waschlappen die Stirn ab. Er tupfte und tupfte…und es wurde immer nasser und ein wenig rauer.
Ich schlug die Augen auf. Alles nur ein Traum! Doch was hatte mich geweckt? Mühselig blinzelte ich und guckte an mir herunter. Auf meinem Bett lag das Kätzchen und schleckte sie die Pfötchen ab. Vor Freude schrie und jubelte ich. Sofort kam meine Mutter ins Zimmer. “Julie, Schatz was ist denn los?”
“Ich…ich kann es behalten?” Mehr brachte ich vor Freude nicht heraus. “Ja! Du darfst es behalten. Dein Vater und ich haben gestern Abend…” Doch es interessierte mich nicht. Ich ignorierte meine verdutzte, aber weiterplappernde Mutter und sprang auf. Völlig erschrocken hörte das Kätzchen auf sich sie Pfoten zu putzen. Ich griff es und rannte aus dem Zimmer. “Josh! Josh? Wie sollen wir das Kätzchen nennen?” rief ich schon bevor ich Joshs Zimmer überhaupt erreicht hatte. Da kam er auch schon freudestrahlend aus seinem Zimmer und begann: “Also: Als erstes dachte ich vielleicht, dass wir es Pupsie nennen. Aber dann wollte ich doch nicht. Also Melina, oder Jacko, oder Theo, oder Robin, oder Flecki, oder Polly, oder…Was sagst du?”
“Joar, das klingt schonmal ganz gut. Aber was hälst du von Mr K, Josh?”
“Find ich ok! Na, dann komm Mista Kaaaah.”
“He, Josh! Nicht Mista Kaaaah!” ich lächelte ihn glücklich an und wir gingen zum Frühstücken in die Küche. Ich setzte Mr K behutsam auf dem Küchenboden ab und stellte ihm eine Schale mit Milch hin. Während ich meine Cornflakes aß konnte ich meinen Blick nicht von ihm abwenden, so glücklich war ich. Bis meine Mutter dann kam und das böse Wort mit ‘S’ sagte: “Schule!”. Ich bekam fast einen Tobsuchtsanfall! Manchmal konnten Mütter sogar die schönsten Momente eines Lebens vermiesen. Missmutig stand ich also auf und verließ die Küche. Heute Morgen sah ich gott sei dank gar nicht soo schlimm aus. Ein bisschen Make-Up, etwas Mascara und Lippgloss. Fertig! Ich gab meinem Spiegelbild einen Luftkuss und ging wieder in die Küche um meinem geliebten neuen Haustier Auf Wiedersehen zu sagen.
Als ich die Haustür schloss, ging ein Junge an unserer Einfahrt vorbei. Ich betrachtete ihn genauer und verfolgte ihn. Er hatte dunkelblonde Wuschelhaare. Toll! Er ging, soweit seine relativ tief hängende Hose das erlaubte, ziemlich zügig und ich hatte Mühe mit ihm mitzuhalten. Nach einer Zeit fiel mir auf, dass er sich warscheinlich beobachtet fühlte, denn er sah sich von Zeit zu Zeit um. Ich wollte all meinen Mut zusammen nehmen und ihn ansprechen. Aber als ich ihn fast eingeholt hatte bekam ich nichts weiter als ein Krächzen heraus. Der Junge musterte mich merkwürdig und bog in die Einfahrt auf unseren Schulhof ein. Mein Herz machte einen Freudensprung. Er ging auf meine Schule! Ich bemerkte gar nicht, dass Tyler neben mir ging und mich begrüßte. Erst als sie mich erneut ansprach wurde ich auf sie aufmerksam: “Sag mal, beobachtest du den heißen Typen da vorne, Süße?”
“Äh, was? Mmh…ja tu ich! Warum?”
“Der ist ja schon … süß.”
“Ty? Willst du was von dem?” fragte ich, wandte mich von diesem wunderschönen Geschöpf Gottes ab und grinste Tyler an.
“Ich? Wohl eher du, ne? Denkst du, ich merk nicht WIE du dem die ganze Zeit nachglotzt!”
Ich beachtete sie nicht und ging in unseren Klassenraum. Deutsch! Frau Greece kam in die Klasse. Sofort wurde es still. Alle Blicke waren auf die Tür gerichtet. Ein Junge trat ein und stellte sich neben Frau Greece. Es war aber nicht irgendein Junge, sondern DER Junge!
Etwas schüchtern sah er sich in der Klasse um. Ich merkte, dass Tyler meinen Blick suchte, doch ich hatte nur noch Augen für IHN!
“Das ist Benjamin! Er wohnt jetzt hier in Pensacola! Nehmt ihn bitte freundlich bei uns auf! Da vorne ist noch ein Platz frei, Benjamin!” sagte Frau Greece.

In der Pause trödelten Tyler und ich ein wenig im Treppenhaus herum und beobachteten Benjamin. Diesen wunderbaren Typen mit wunderbaren Haaren und einem wunderbaren Körper. Und einem noch viel wunderbareren Lächeln, dass ich leider erst zwei oder dreimal zu Gesicht bekommen konnte. Einfach wunderbar.
“Julie, du sabberst ja fast.”
“Ach, Quatsch!” Ich drehte mich zu ihr um und grinste.
“Er ist aber doch wirklich geil geil geil!” Mir wurde warm ums Herz und ich dachte an sein unvorstellbar schönes Lächeln.
“Er ist auch nur ein Junge. Ein ganz normaler …”
“Nicht normal! Einfach in jedem Punkt über dem Schnitt.”
Es klingelte und wir gingen die Treppen hinauf zu unserem Klassenraum. Ich blickte suchend in alle Richtungen.
“Ty? Wo ist Benjamin? Ich seh ihn gar nicht mehr?”
“Oh, eine Minute ohne sabbern?”
“Sucht ihr etwa mich?” In dem Augenblick, als Benjamin mit dem wunderbarsten Lächeln überhaupt, an uns vorbei ging und ich wusste, dass er alles mitbekommen hatte, gefroren mir alle Eingeweide vor lauter Peinlichkeit. Zugleich vermischte sich diese Kälte aber auch mit einer angenehmen Gänsehaut und einer Herzfrequenz von 10000. Dieses Lächeln. Er hatte mich angelächelt! Und angesprochen! Ich musste stehen bleiben um das erst einmal zu verkraften.

Er ist ja so süß, dachte ich und versuchte mir eine Szene mit Benjamin und mir bei unserem ersten Date vorzustellen.
“Guck mal was Mr. K mitgebracht hat!” schrie Josh und sprang auf mein Bett. Da kam auch schon Mr. K herein. Er hatte meinen Lieblingsschal im Maul und ließ sich vor mir nieder. “Ich funkelte Josh böse an, der sich daraufhin Mr. K schnappen und ihm den Schal entreißen wollte. Mr. K jedoch hopste mit großen Schritten nach draußen, und Josh hinterher.
Als meine Mutter mich zum Essen rief, merkte ich es nicht und als ich nichts aß, fragte sie mich was los sei. Doch ich gab keine Antwort und ging einfach auf mein Zimmer. Ich hatte keine Lust meiner peinlichen Mutter alles aus meinem Leben zu erzählen und so ging ich auch schon nach einem Telefonat mit Ty ins Bett!
Da waren sie wieder! Diese wunderschönen Augen, diese tollen Haare. Direkt vor mir. Sie kamen näher und näher und seine wunderschönen Lippen berührten fast meine, als…mein Wecker klingelte! Entnervt sprang ich auf.
Sofort ging meine Tür auf und meine Mutter kam in mein Zimmer gestürmt. Sie riss die Vorhänge zurück und wuschelte mir durch die Haare. “Guten Morgen, mein Schatz!” rief sie und verschwand wieder. Ich grummelte ihr etwas Unverständliches hinterher. Dann setzte ich mich auf und blinzelte ins Sonnenlicht.
Sofort schoss mir sein Name wieder durch den Kopf: Benjamin! Nein, wie toll, dachte ich mir, da gibt es ja auch einen Spitznamen zu: Benni! Das gefiel mir.

Tyler stupste mich an. “Was?”
“Er schaut dich an!” Sie nickte in Richtung Benjamin. Ich gab ihr einen Schmatzer auf die Wange und rückte mein Top zurecht. “Was hast du vor?” Tyler sah mich misstrauisch an. “Ich”, sagte ich, “gehe jetzt zu IHM!”
Ich nahm all meinen Mut zusammen und setzte einen Fuß vor den anderen. Dazu schwenkte ich meinen Hintern so dynamisch es ging. Wie auf dem Catwalk, dachte ich mir und ging mutig weiter. Ich war bei ihm und den anderen Jungs aus unserer Klasse angekommen. Alles was ich jedoch hervorbrachte war ein klägliches “Hi!”
“Hallo.”
“Ähm…ich bin Julie…”
“Ja … öhm … ich bin Benjamin!”
Die anderen Jungen grinsten, wandten sich jedoch schließlich ein paar 5. Klässlern zu um ihnen den Ball abzunehmen.
“Und du bist jetzt also bei uns in der Klasse?”
Ich ohrfeigte mich innerlich. Wie blöd ich doch war. Natürlich war er das!
“Äh…ja.”
“Gefällt dir die Schule?”, vernahm ich plötzlich hinter mir. Die Stimme, die es aussprach war mir sehr wohl bekannt. Sara. Die zickigste Zicke der Stufe. Gottsei Dank war sie nicht in meiner Klasse!
“Mir? Ja. Schon irgendwie.” Auch Benjamin schien über Saras plötzliches Auftauchen etwas zersträut.
“Schön! Hast du heute schon was vor?”
Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. WAS WAR DAS? Diese Zicke wollte doch tatsächlich MEINEN Bejamin anbaggern!
Noch eine Stimme, die ich kannte: “Ja, hat er! Julie und ich wollten ihm nämlich heute die Stadt zeigen. Stimmt’s, Julie?”
Tyler!
“Ja. Äh…genau! Die Stadt! Das ist nämlich echt interessant hier alles und ähm…”
“Sorry, Mädels. Aber ich muss meinen Eltern noch beim Sachen auspacken helfen. Der Umzug und so.”
Nicht nur ihm war diese Situation jetzt unangenehm. Dieser Zeitpunkt bot sich doch jetzt super an um im Boden zu versinken. Doch der Boden tat sich nicht auf. Weder für mich, noch für Ty, Sara oder Benni.
“Tut mir leid!” wiederholte Benni nochmal und schaute auf den Boden.
“Ist schon in Ordnung. Ähm … ich glaube die Pause ist vorbei!” sagte Ty, die sich schnell wieder gefasst hatte. Keiner rührte sich. Ich spürte Tylers drängenden Blick auf meiner Seite, beachtete ihn aber nicht. Ich nahm erneut all meinen Mut zusammen und startete einen weiteren Versuch der Annäherung:
“Hast du schon was am Wochenende vor, Benjamin?”
Sara starrte mich entsetzt an, sagte aber noch nichts.
“Nein. Eigentlich nicht.”
“Ähm…” setzte ich an, kam aber nicht weit.
“Also, ich feiere am Samstag eine große Poolparty. Wär voll toll wenn du kommen könntest, mein Süßer!” flirtete Sara und spielte mit Bennis T-shirt-Ärmel herum.
“Und ich wollte in die Stadt und dachte mir vielleicht könntest du ja mitkommen?”, brachte ich hervor. Tyler schaute mich mit einem zweifelnden Blick an, der sagen sollte: Oh mein Gott! Sara hat ihn zu einer der angesagtesten Partys der Schule eingeladen und du willst nur mit ihm shoppen gehen?
“Klar, warum nicht! Die Party fängt doch erst Abends an oder … ähm … wie heißt du noch mal?”
“Sara! Und ja das tut sie.”, sagte diese ätzende Kuh mit zuckersüßer Stimme.
“Ah, Sara!”
“Genau! Ich muss jetzt, Süßer!”, sagte Sara und stolzierte davon.
Ich würgte ein wenig und wollte ihr am liebsten irgendein sehr sehr schlimmes Schimpfwort hinterherschleudern. Inklusive meiner Tasche und…
“Ja, ich glaube wir sollten jetzt auch reingehen!” murmelte Ty und zog mich mit sich.
“Ja, ähm…wir sehen uns dann gleich.” rief ich noch über die Schulter hinweg zu Benjamin. Ty zog mich in das nächste Mädchenklo.
“Hast du das gesehen? Gehört? Ich meine diese Schlampe hätte ihn doch am liebsten mit Haut und Haar aufgefressen! Sie…”
“Ja, habe ich. Beruhige dich!”
“Nein! Das kann ich nicht. Sie hätte doch am liebsten die Party auf 14 Uhr verlegt, damit ich nicht mehr mit ihm shoppen gehen könnte!”
“Aber das hat sie ja nicht! Komm runter, Baby. Du tickst ja total aus!” Tyler streichelte mir sanft über den Rücken.
Ich nahm ihre Hand und schaute ihr in die Augen: “Er ist so süß, Tyler! Das ist doch total unnormal. Das ist…Er ist…!”
Sie zog mich aber schon auf den Flur und die nächste Stunde begann.

“Das war ja so grausam, Mom!” jammerte ich, während sie den Abwasch erledigte. Ich hatte noch mit Tyler herumgetrödelt. Wie sooft war ich natürlich viel zu spät zum Mittagessen gekommen.
“Kann ich mir lebhaft vorstellen, meine Süße! Das war bei mir damals gar nicht so anders, Schatz. Aber mach dir nichts draus. Du wirst Samstag eine wunderbare Shoppingtour mit deinem Benjamin verbringen und…”
Es klingelte an der Tür und Josh, der bis eben noch mit Mr. K gespielt hatte sprang auf und rannte zur Tür. Mom hinterher. Ich blieb sitzen und stocherte in meinem Gurkensalat herum. Dann hörte ich eine vertraute Stimme. “Hallo. Ich bin Benjamin. Der ähm…neue Nachbar. Oder fast Nachbar. Ich wohne zwei Häuser weiter.”
“Hallo. Ich bin Emma Smith, die Mutter von Julie. Du wolltest doch zu ihr oder?”
“Ist sie denn da?” fragte Benni zögerlich. Doch ich ließ meiner Mom keine Chance zu antworten, so schnell war ich aufgesprungen und in den Flur gerannt. Dummerweise lag Mr. K im Weg und ich sah ihn natürlich zu spät. Immer musste mir so etwas passieren. Peinlich! Ich legte mich der Länge nach hin und spürte sofort die blauen Flecken, die morgen auftauchen würden. Schnell stand ich wieder auf und sah Benjamins entsetztes Gesicht, meine Mom, die etwas verwirrt aussah und Josh der ebenfalls am Boden lag und sich schlapp lachte.
“Äh…hallo!” stammelte ich und rieb mir das Knie. Mom schnappte sich Josh und verschwand schnell mit ihm in der Küche.
“Hallo!” sagte Benjamin und lächelte ein süßes, schiefes Lächeln. “Ich hoffe du hast dir nicht wehgetan!” murmelte er und hielt mir einen Briefumschlag hin. “Nein danke. Es geht schon. Was…was ist das?”
“Eine Einladung. Zur Einweihungsfeier in unserem Haus. Ich dachte mir vielleicht hättest du ja Lust zu kommen? Es ist nächste Woche Montag.”
“Ja, gerne! Ich..danke! Komm doch rein.” stammelte ich, als ich merkte, dass er immer noch in der offenen Tür stand.
Er kam rein und schaute sich um. “Wollen wir vielleicht hochgehen? Also, auf mein Zimmer?”
“Ja, klar!”
In meinem Zimmer angekommen, setzte ich mich auf mein Bett und Benjamin neben mich. Ich war glücklich und dachte ich würde gleich platzen vor Glück.
“Du warst gestern irgendwie komisch! Also, als ich dich auf dem Weg zur Schule gesehen habe.”
“Komisch. Ähm…ja kann sein.” Ich hätte auch sagen können: Hey, Bennilein. Du bist so heiß wie die Sonne, hast die geilsten Wuschelhaare der Welt und ich liebe dich, aber…nein! Lieber nicht.
“Naja. Wie auch immer. Schönes Zimmer hast du.” sagte er und lehnte sich an die Wand, dabei steckte er sich die eine Hand in die Hosentasche und legte die andere auf mein Knie. Ich bekam große Augen. Sprüche klopfen und cool tun konnte ich immer. Ich konnte mir auch immer die schönsten Momente meines Lebens mit IHM vorstellen, ich konnte mir vorstellen wie es war ihn zu küssen. Mein erster Kuss wäre das. Peinlich! Ich war eben nicht so interessant für Jungen. Aber das machte mich jetzt echt nervös. Benjamin schien meine innere Unruhe gar nicht zu bemerken und guckte nur gradeaus auf eines meiner Poster.
“Die sieht echt gut aus!” Es war ein Poster mit Keira Knightley in Piratenkluft mit Degen in der einen und Pistole in der anderen Hand am Strand. Ich hatte das Poster damals beim Start von Fluch der Karibik Teil eins aufgehangen. Einfach nur, weil ich sie in der Rolle einer coolen Piratin an der Seite von Orlando Bloom echt toll fand. An so etwas, wie diesen Kommentar hätte ich nicht mal im Traum gedacht.
“Findest du?” gab ich zurück.
“Ja. Schon! Für meinen Geschmack jedenfalls. Wie würde denn dein Traumboy aussehen?”
Jetzt musste ich unfreiwillig grinsen, denn die Vorstellung, dass ich ihn selber jetzt beschreiben sollte, war einfach zu köstlich.
“Ja…also er sollte…öhm…etwa hellbraunes Haar haben. Öhm…größer als ich sein und äh…naja…”
“Sollte er ein Sixpack haben?” Ich blickte verstohlen auf seinen Bauch. Sixpack. War ja klar!
“Ja.”
“Augenfarbe?”
“Blau.”
“Kleidungsstil eher Emo, oder cool, oder Streber?”
“Cool!” Ich musste lächeln, als ich mir Benjamin in einem Hemd und Pollunder vorstellte.
“Ist dir Körperpflege wichtig?” Ich atmete eine riesige Brise seines Duftes ein.
“Ja.”
“Glaubst du an Liebe auf den…” Er räusperte sich dezent und nahm die Hand von meinem Knie und legte sie auf sein eigenes. “…zweiten Blick?”
“Ja, ich denke schon.” sagte ich schnell.
“Interessant.”
“Irgendwie schon.”
“Bist du auch Samstag auf Saras Party eingeladen?”
“Ich glaube nicht. Sie kann mich nicht ausstehen.”
“Warum?”
In einer Zeitschrift hatte ich mal gelesen, dass Jungen auf Lästern allergisch reagieren. Also ließ ich es bleiben.
“Ach, weiß ich auch nicht so genau.”
“Wirklich?”
“Mh.” Er sah mich mit seinen leuchtend blauen Augen an und ich erwiderte seinen Blick.
“Na gut. Ich glaube ich muss jetzt gehen, Julie!” Damit riss er mich aus meinen Gedanken und ganz plötzlich verschwand auch das dringende Gefühl vor Glück platzen zu müssen.
“Echt? Schon? Ähm…also, ich meine, du kannst auch noch etwas bleiben. Meine Eltern hätten da sicher nichts gegen und…”
Er stand aber auf, legte den Kopf etwas schief und lächelte. “Aber meine.”
Ich blickte verlegen auf den Boden.
“Wo sollen wir uns denn morgen zum shoppen treffen?”
“Achso. Ja stimmt. Bei mir? So gegen halb zehn?”
“Halb zehn?”
“Ja. Sonst hat man den Nachmittagsstress schon sofort.”
“Ja klar!”
Ich grinste wieder etwas verlegen.

3. Kapitel

Diesmal stand ich vor meinem Kater, meinen Eltern und sogar vor Josh auf. Ein grausiger Alptraum hatte mich geweckt. Ich hatte geträumt, dass Sara und Benjamin mich verarschen würden. Sie waren zusammen und haben rumgeknutscht und haben aber beide so getan als wäre nichts und Benni hat mir sogar vorgespielt er würde mich lieben. Und dann war da noch die beängstigende Szene mit Tyler. Sie hat mir erzählt wie toll sie Benni findet und, dass sie am liebsten mit ihm zusammen wäre. Es war schrecklich! Ich hatte das Gefühl gehabt keiner würde mehr auf meiner Seite stehen.
Schlaftrunken tastete ich nach meinem Wecker und sah auf die Uhrzeit. Schlagartig wurde ich wach. Es war erst sechs Uhr. Nein! Und ich konnte nicht mehr einschlafen. Das ist echt brutal, dachte ich mir und stand auf. Gemächlich schlenderte ich ins Bad und sah in den Spiegel. Ich sah furchtbar aus. Wie fast jeden Morgen. Nachdem ich geduscht, eine Haarkur angewendet und eine Gesichtsmaske mit allem Möglichen Gemüse aufgelegt hatte, sah ich erneut auf die Uhr. Halb acht. Ich hatte noch ein wenig Zeit. Trotzdem beeilte ich mich. Die Gesichtsmaske musste eine halbe Stunde drauf bleiben, also setzte ich mich schon mal in die Küche und schüttete mir Müsli in eine Schüssel. Verdammt nochmal! Jeden Morgen aß ich dieses wiederliche Zeug und jeden Morgen dachte ich, ich müsste gleich kotzen. Egal. Ich gab Milch dazu und löffelte drauf los.
Nach einer Viertelstunde gesellte sich auch Mr. K zu mir und erbettelte sich sein Frühstück. Als ich damit beschäftigt war die Maske abzuwaschen stand Josh im Türrahmen und grinste mich frech an. “Was hast denn du da aufm Gesicht kleben? Sind das etwa Tomaten? Und Gurken? Und…”
“Ja, Josh!” fuhr ich ihn unwisch an und konzentrierte mich wieder auf meine Maske.
“Sieht ja echt lecker aus! Darf ich mal probieren?”
Ich schaute ihn mit dem tötlichsten Blick an den ich drauf hatte und schon zog er beleidigt davon. Sekunden später hörte ich ihn allerdings wieder lachen. Ein böses Lachen. Soweit ein dummes, verspieltes Kleinkind überhaupt böse Lachen konnte.
“Was ist denn nun schon wieder?” murmelte ich zu mir selbst und rannte die Treppe hinunter in die Küche.
“Ich glaube, du hättest dein Geld nicht so in deiner Tasche herumliegen lassen sollen. Und die Tasche nicht auf dem Boden.”
Schon wieder war da dieses fiese Lachen. Ich schaute auf den Boden. Überall lag mein Geld versträut. Daneben Mr. K. Er fraß die Geldscheine! Er fraß sie! Gerade war er damit beschäftigt meinen ersparten ersten Hunderter zu vertilgen!!!
Ich fiel aus allen Wolken und und schrie so laut wie ich noch nie zuvor geschrien hatte. Das dürfte sogar Benni gehört haben. Und wenn er noch nicht wach war, dann war er es jetzt. Ich kniete mich eilig hin und riss den Hunderter aus den Pfoten dieses verfressenen kleinen Biestes. Er riss durch! Natürlich!
Da kamen auch schon meine Mom und mein Dad in die Küche und erfassten die Situation sofort mit einem Blick. Meine Mutter stürtzte sich auf mich und drückte mich ganz fest an sich.
“Das waren deine Ersparnisse, oder?”
“Jaha!” maulte ich und zwang mich nicht loszuheulen, denn dann war die Gesichtsmaske um sonst gewesen.
“Mach dir nichts draus, Schatz! Streng dich weiter an und dann hast du bald einen neuen Hunderter.” Das war der einzige tröstende Satz, der von meinem Vater kam. Ich wandt mich aus der Umarmung meiner Mutter, schnappte mir meine Tasche und rannte auf mein Zimmer.
“So etwas Blödes!” schrie ich und warf meine Tasche gegen mein Fenster. Ein Schuh, ein paar Stifte und fast Mr. K, der sich in mein Zimmer geschlichen hatte folgten. “Du dummes, dummes, verfressenes, blödes, häßliches, fettes, doofes Riesenbaby!” Ich packte den Kater im Nacken und schleppte ihn vor meine Zimmertür. Schließlich gönnte ich mir einen erneuten Blick auf die Uhr und stellte zufrieden fest, dass es schon fast halb neun war. Juppieh! Nur noch eine Stunde! Meine Organe machten, jedes einzeln, einen Freudensalto und wenn ich könnte würde ich auch einen machen. Aber ich war in Unterwäsche und, wenn ich jetzt hoch springen würde, könnte mich jeder draußen auf der Straße sehen, da mein Fenster sperrangelweit aufstand. Außerdem konnte ich garantiert keinen Salto. Also ließ ich es bleiben.
Trotz allem war ich noch extrem sauer und würde mich auch so schnell nicht einkriegen. Hallooooo? Hundert Euro! Ja? Das ist nicht mal eben wieder da!
Eine ganze Stunde später in der ich mich immer weiter ärgerte und mich auch nicht mein Lieblings-Bananen-Schoko-Drink aufheitern konnte, klingelte es endlich an der Tür. Ich hatte mich nur schwer entscheiden können was ich anziehen sollte! Mein verspieltes Sommerkleid aus Italien, meine Hotpens, einfach eine Jeans … nur Make-Up oder Eyeliner, Mascara, Rouge … das volle Programm eben! Aber nun war ich fertig. Ich hatte mich für eine weiße Leggins, ein buntes Longshirt und Flip-Flops entschieden. Sehr einfallsreich! Ich weiß… Naja. Eben locker. Hauptsache nicht irgendwie Emo-Stil oder sowas. Ich glaube, das törnt Jungs wirklich ab. Dazu Smokey-Eyes und etwas Make-Up. Mit dem neuesten Lipgloss von meiner Lieblingsfirma, hätte ich mich sogar am liebsten selbst abgeknutscht. Aber dafür war keine Zeit mehr, denn gerade als ich den Lipgloss aufgetragen hatte, kam Benni in mein Zimmer. Meine verdammte Mutter hatte ihm doch glatt die Tür geöffnet! Sowas macht doch die Gastgeberin! Wie auch immer. Jetzt stand er jedenfalls im Zimmer. Er hatte eine khaki-farbene Shorts an und ein hellblaues T-shirt mit der Abbildung eines Surfers vorne drauf. Auch er trug Flip-Flops. Hatte ich mal gesagt, dass Jungs mit Flip-Flops schwul aussahen? Ich nehme es sofort zurück!
“Hi!”
“Hey, Julie! Du siehst toll aus!”, sagte er nach kurzem Zögern.
“Echt? Ähm … ich meine: Danke! Du siehst auch nicht schlecht aus.”
Er grinste.

In der Stadt gingen wir duch so ziemlich jeden Laden. Gerade waren wir in einem Reformhaus und schauten uns Bio-Sandalen an, als er mich ansprach. Bis jetzt hatten wir nicht viel geredet. Mehr gelacht. Über dieses und jenes. Er hat ein schönes Lachen. So weich und lieb und…
“Gestern hat mich Sara angerufen.”
Stopp … What???
“Woher hat sie deine Nummer?” Ich blöde Kuh konnte meine Neugierde natürlich nicht unterdrücken.
“Ähm…!” Ich hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Verdammt!
“Ist ja auch egal.”
“Ok. Also, Sara hat gesagt, wenn ich will kann ich dich mitbringen. Zur Party!”
“Echt?”
“Jep.”
“Wow … wie …”
“Ich habe ihr gesagt … ähm … ohne dich komme ich nicht!”
“Wirklich? Wie? Warum?”
“Ich mag dich einfach und deshalb…”
ER MAG MICH!!! Ich blendete alles um mich herum aus und war glücklich! Das war mit Abstand das süßeste, was ein Junge je zu mir gesagt hatte.
“… also was sagst du?”
“Hä? Wozu?”
“Na, kommst du mit heute Abend oder nicht?”
“Na klar! Also … ich muss natürlich noch meine Eltern fragen!”
“Natürlich.”
“Ja …”
“Hast du eigentlich heute morgen geschrien?”
“Äh … ja.” Verdammt.
“Warum?”
“Mein Kater hat meine Ersparnisse aufgefressen.”
“Oh.”
“Blödes Vieh!”
Er grinste mich an.
Wir gingen weiter und kamen zu einem Spielzeugladen. Aus Spaß gingen wir hinein und aus Spaß sagte ich ‘wie niedlich’ als er mir einen kleinen Stoffbären zeigte und aus Spaß kaufte er ihn mir. Ich bedankte mich tausendmal bei ihm, während wir weiterschlenderten.
“Was machst du morgen so?” fragte er schließlich.
“Ich hatte noch nichts besonderes eingeplant. Du?”
“Ich wollte dich zu mir nach Hause einladen.”
“Oh. Ich…ja! Ich komme gerne.”
“Schön. Ich freue mich schon! Wie wäre es mit halb drei?”
“Ja, klar.”
“Cool! Willst du ein Eis essen?”
“Öhm. Klar. Warum nicht?” Nicht zu fassen. Er lud mich ein! Schon wieder wollte ich vor Glück einfach nur platzen!
Eisschleckend gingen wir an ein paar Schuhgeschäften vorbei und um möglichst weiblich zu wirken, blieb ich ewig vor den Schaufenstern stehen, obwohl ich noch genug Schuhe zu Hause hatte.
“So. Sag mal, wie ist denn das wirklich mit Sara?” fragte er mich und lenkte damit meinen Blick umso mehr auf die Schuhe.
“Ähm. Also, sie ist…naja…”
“Du kannst es mir ruhig sagen, Julie! Ich kann so etwas für mich behalten.”
“Ja, also eigentlich ist das ganz einfach. Sie ist die Schulzicke. Sozusagen. Jeder Junge kennt sie. Jeder Junge mag sie. Alle Mädchen fragen sich warum? Ich auch. Naja. Das ist alles. So. Du bist neu hier. Neues…naja…’Frischfleisch’ für sie.”
“Ok…”
“Du wolltest es ja hören. Ich…”
“Nein, es ist alles in Ordnung. Es ist nur interessant das so zu hören. Aus deinem Mund.”
“Ja?” Er nickte.
“Aha. Interessant?”
“Ja. Es fasziniert mich eigentlich nur wie ihr Mädchen immer euren Zickenkrieg führt. Aber dabei ist das doch gar nicht nötig. Ein Junge wird sich doch sowieso nur für eine entscheiden.” Ich grinste ihn an. Er verstand. “Ach so. Es geht um die Jungs! Naja.”
Ich schaute wieder auf die Schuhe.
“Ich finde die Stadt schön.” Ich antwortete nicht. Ich war tief in Gedanken versunken. Nun war es soweit. Sara und ich waren also offizielle Feindinnen.
Ich stellte mir schon vor, wie es bald die ganze Schule erfahren würde. Und Benjamin. Nein! Soweit sollte es nicht kommen. Ich würde also versuchen einen stillen Zickenkrieg um Benni mit diesem häßlichen Mädchen zu führen. Bah! Ich verabscheute jeden Gedanken an diese fiese, hinterhältige, miese Furie. Sie stachelte meine Wut sogar mehr an, als Mr. K es heute Morgen getan hatte. Und DAS wollte wohl schon was heißen. Ich wurde von seiner wunderbaren Stimme aus den Gedanken gerissen: “Du hast dein Eis fallen gelassen, Julie!” Ich erwachte sozusagen aus meiner Wut-Starre. Hilfe! Mann, war ich vielleicht peinlich!
“Oh!”
Er lächelte. Und ich konnte seine Grübchen sehen. Oh, wie süß! Er hatte Grübchen!
“Ich glaube wir sollten uns für die Party vorbereiten. Was meinst du?”
“Ja. Gute Idee. Ich weiß aber noch nicht was ich anziehen soll!”
“Ich könnte ja mit reinkommen und dir was raussuchen?”
“Öhm…Nein, danke.”
“Glaubst du nicht an meinen Geschmack?”
“Doch schon. Es ist nur…ich will ja nicht ZU gut aussehen.” Das war wieder einmal die bescheurteste Ausrede, die ich je aus meinem Mund gehört hatte.
“Achso.” Er schien etwas verwirrt.
“Ja.”
Wir waren vor meiner Einfahrt angekommen.
“Ok. Soll ich dich dann nachher abholen?”
“Ja. Wäre cool. Ich weiß nämlich nicht genau wo Sara wohnt.” Heute musste ich auch wirklich in jedes, noch so kleine Fettnäpfchen treten. Woher sollte er es denn wissen? Er wohnte doch erst zwei Tage hier. Doch Benni nahm es mit Humor.
“Naja. Vier Augen sehen ja immer noch besser als zwei.”
“Ja, stimmt!”
“Vergiss deinen Bikini nicht!” sagte er zum Spaß. Verdammt. Richtig. Eine Poolparty. Und ich konnte doch nicht…
“Ähm…ich werde nicht schwimmen.”
“Warum nicht?”
“Weil, ich…äh…nicht kann!”
“Ach so. Ich pass schon auf, dass du nicht absäufst.”
“Es ist nicht so wie du denkst, weißt du? Ich…ich…habe meine Tage.” So! Puh. Jetzt war es raus. Ich fühlte mich aber irgendwie nicht besser. Verdammt. Schon wieder einmal hatte ich mich total blamiert! Mist! Ich wartete seine Antwort nicht ab und rannte die Einfahrt hoch zur Haustür. Riss sie auf und lief an meiner Mutter, die wiedereinmal verwirrt schaute, vorbei in mein Zimmer.

Endlich hatte ich es geschafft den Jungen zu entkommen, die mich ins Wasser werfen wollten. Benjamin hatte mich den ganzen Weg zu Sara nicht einmal auf diesen Peinlichen Moment vorhin angesprochen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er es nicht völlig vergessen hatte.
“Hey, Julie?” Es war Melly.
“Hallo.”
“Warum kommst du nicht auch ins Wasser?” NICHT DIE AUCH NOCH!!!
“Will nicht! Habe außerdem meinen Bikini zuhause vergessen.”
“Klingt ja scheiße!”
“Mh.”
“Wo ist Ty?”
“Sie wurde nicht eingeladen.”
“Ach. Wie kommt’s eigentlich, dass du eingeladen wurdest?”
“Ich?”
“Ja. Ich meine du hast ja jetzt nicht sooo viel mit Sara zu tun. Und dann auch noch diese Sache mit Benni.”
“Hä?”
“Naja. Das haben ja jetzt irgendwie alle mitbekommen. Du und er. Und Sara ist verdammt sauer auf dich! Sie verbreitet schon die wildesten Gerüchte über dich. Wie z.B., dass du deine Tage hättest und deshalb nicht mitschwimmst.” Typisch Sara! Was für eine törrichte Behauptung! Ich lachte in mich hinein.
“Oder, dass du…”
“Jaja. Klar doch! Ich wollte es gar nicht so genau wissen, Melly!”
“Ok. Aber mit deinem Benni hast du dir ja echt ein Prachtstück geangelt!”
“Öhm…”
“Also, er sieht ECHT verdammt gut aus. Und er hat ein Sixpack, oder?”
Ich war starr vor Schreck. Warum mussten sich alle MEINEN Benjamin schnappen wollen?
“Ich weiß nicht genau!”
“Komm. Man sieht doch von weiten, dass zwischen euch was läuft! Hat er dich schon geküsst?”
“Nein.”
“Ich frag ja nur! Ich wäre gerne an deiner Stelle!”
“Du?”
“Ja. Er ist einfach nur hamma. Und erst zwei Tage hier und schon…”
“Hör auf damit!” knurrte ich. Jetzt war sie echt zu weit gegangen!
“Ach! Er wird sich ja noch für eine entscheiden! Und wenn DU es nicht bist. Tut mir jetzt schon verdammt leid für dich!” Sie tippte sich ans Kinn und sah in den Himmel, als ob sie nicht mit mir sondern mit irgendwem da oben sprechen würde.
“Haha!” Ich fand das gar nicht lustig und meine Ironie war unüberhörbar.
“Du und er. Das gefällt mir nicht!”
“Lass die Finger von ihm!”, zischte ich.
Plötzlich stand Benni neben mir und schüttelte die Haare, so dass ich nass wurde.
“Von wem?” fragte er und ich hoffte, dass er nicht schon länger neben mir stand.
“Nichts.”, murmelte ich verbissen und starrte auf den Boden.
“Wir reden nochmal, Julie!” flötete Melly, zwinkerte Benni zu und verschwand in Richtung Buffet.
“War was?”, fragte dieser unschuldig.
“Nein!”
“Sorry!”
“Ist nicht deine Schuld!”
“Wie lange wolltest du bleiben?”
“Ich darf nur bis zehn.”
“Oh. Na gut! Ich geh noch mal schwimmen!”

Er sprang mit Kopfsprung ins Wasser und ich wurde nass. Mir machte es aber nichts. ich war wieder einmal in Gedanken versunken. Warum? Warum mussten sich alle gegen mich richten? Ok. Genauer betrachtet war es nur Melly. Naja, und Sara! Aber bei der war es mir nur recht! Sie würde ihren Zickenkrieg bekommen. und was Melly betraf wollte ich mich nicht mit ihr anlegen. Wie Tyler kannte ich sie schon seit dem Kindergarten. Damals waren wir drei beste Freundinnen gewesen. Aber jetzt! Sie hatte sich verändert. Sie hatte sich seit der 5. Klasse mit Cathrin, Evy und Judith angefreundet. Die Viererclique in unserer Klasse sozusagen. Ich war einigermaßen mit den Vieren befreundet, aber nur so ein wenig! Dass sich Melly damals so von uns abgegrenzt hatte war mir immer sehr nahe gegangen. In der Grundschule waren Melly, Ty und ich immer so unzertrennlich gewesen. Wie gesagt bis zur 5. Klasse. Seit dem waren wir nur noch “Bekannte”! Bäh. Ich mochte das Wort nicht! Aber, was konnte ich dafür, wenn sie sich so von uns abgrenzt und alles mit ihren ‘neuen’ Freundinnen unternahm. Sie hatte sich warhaftig verändert! Naja. Nicht zum Guten! Und irgendetwas daran machte mir Angst. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie nicht mehr meine Freundin war. Vielleicht hatte es was mit meinem beängstigenden Traum zu tun. Oder vielleicht auch damit, dass ich Benjamin wollte und sie … anscheinend auch!
“Julie!” Ich kannte diese Stimme hinter mir und wollte der Person, der sie gehörte am liebsten den Hals umdrehen.
“Hallo, Sara.” sagte ich ohne mich umzudrehen.
“Halt dich fern von Benjamin!” Jetzt drehte ich mich um! Gaaaaanz langsam, um den Moment den vor mir lag noch ein bisschen hinaus zuzögern.
“Nein!” Da klatschte es. Diese hässliche, blöde, arrogante, hinterhältige, miese, kleine Schlampe hat mich doch glatt geohrfeigt. Na, sag mal! Was fiel der eigentlich ein!
“Du hässliche, blöde, arrogante, hinterhältige, miese, kleine Schlampe hast mich grade geschlagen?”
“Wie hast du mich genannt?”
“Hast du etwa nicht nur was am Hirn sondern auch noch was an den Ohren? Ich habe dich hässliche, blöde, arrogante, hinterhältige, miese, kleine Schlampe genannt! Was dagegen? Ich tue es auch gerne noch ein paar mal, wenn du es erneut wagen solltest mich zu schlagen!” Im verbalen Zickenkrieg war ich wirklich unschlagbar!
“Hau bloß ab, Miststück!”
“Nichts tu ich lieber!” Mit diesen Worten und einem triumphierenden Blick zog ich ab. Ich spürte förmlich alle Blicke auf mir kleben. Unser Zickenkrieg hatte alle Augen auf sich gezogen. Am meisten spürte ich Saras Blicke. Todesblicke. Ich wette sie wird ab jetzt versuchen mir das Leben so schwer wie möglich zu machen UND sie wird sich Benni krallen wollen. Aber ich war ja nicht umsonst ICH! Wenn sie Krieg wollte bekam sie den! Und das war erst der Anfang!

4. Kapitel

Erschöpft fiel ich ins Bett. Tyler wollte einfach nicht aufhören mich vor Sara zu warnen. Andauernd wiederholte sie, wie gefährlich es sei sich mit ihr anzulegen. “Ty. Du, ich bin jetzt WIRKLICH erschöpft! Das war außerdem noch gar nichts. Sie hat mich nur geohrfeigt und…”
“Ja, sie hat dich geohrfeigt, Baby! Das ist nicht NUR! Sie hat dich geohrfeigt! Hallooooo?? Klingelts nicht? Sind deine Alarmglocken defekt oder so?”
“Nein, Ty! Mir gehts gut. Aber sei mir nicht böse, wenn ich jetzt auflege ja?”
“Doch! Natürlich bin ich das!”
“Bye, bye, Süße!”
“Wir sind keine Freundinnen mehr!”
“Bye! Bis Montag.”
“Argh. Nicht bis Montag. Du musst mir Morgen alles erzählen. Alles von Benni und dir und EUREM Tag! Also bis Morgen!”
Ich legte auf. Manchmal waren Freundinnen ja sowas von anstrengend.
Wieder klingelte das Telefon. Ich riss den Hörer hoch und grummelte:
“Ty! Morgen, ja? Bist die Beste, aber mir ist echt nicht mehr dannach dir von dem Scheißtag heute noch weiteres zu berichten. Stopp! Vergiss das! Das war der geilste Tag überhaupt! Besser wäre er natürlich wenn Benni mich geküsst hätte oder…”
“Julie?” Ich kannte die Stimme. Es war natürlich nicht Tylers. Oh, nein, war ich vielleicht dumm. Konnte ich nicht erstmal nachfragen, wer dran war?
“Hallo, Benjamin!”
“Ähm…War das grade an mich gerichtet?”
“Nein. Es sei denn, dein neuer Spitzname wäre Ty?!”
“Ok, ok! Nicht ausrasten. Ich vergesse das alles wieder, wenn du mir sagst ob du Spaghetti magst?”
“Was?” Ich war verwirrt!
“Magst du Spaghetti?”
“Äh – Ja, klar!”
“Cool. Ich mach uns morgen welche. Also bring bitte Hunger mit, ok?”
“Mach ich. Aber…was…”
“Bis morgen um halb drei dann!”
“Bis morgen.” erwiderte ich völlig geistesabwesend. Er hatte aufgelegt. Spaghetti? Naja. Wenn er sich das antun wollte. Für mich zu kochen. Ich war nämlich ein Vielfraß. Ich konnte die Portionen von drei Leuten essen.
Total fix und alle schmiss zog ich mir die Bettdecke über den Kopf und knipste das Licht aus.

Kein Wecker der mich weckte. Juppieh! Das war ein gutes Gefühl. Endlich konnte ich mal wieder ausschlafen. Ich stupste das Fellknäul auf meinen Beinen, das sich als Mr. K entpuppte, sanft vom Bett.
Beim Frühstück (einmal in der Woche, immer Sonntags, mal kein Müsli) aß ich drei Brötchen um meinen Appettit für nachher etwas in Zaum zu halten. Meine Eltern starrten mich beim dritten Brötchen entsetzt an, ließen aber keine Bemerkung fallen, die bei mir bleibende Schäden hervorrufen könnte. Nur Josh verletzte mein Inneres ein wenig als er mich riesige Fressmaschine mit Doppelkinn und gaaaaaanz viel Hüftgold nannte. Nein. Ich war nicht fett. Auch nicht dick. Ich hatte einen Norm-BMI von 20. Das war in Ordnung. Mit einem BMI von 18 war man Magersüchtig und mit einem von 25 übergewichtig. Naja. Da war ich doch näher an magersüchtig dran.
Nach dem Essen surfte ich am PC nach ein paar guten Schmink-Tipps und probierte allerhand aus. Das meiste sah aber sowas von blöd aus, dass mein Gesicht nach einer Stunde schon extrem rot vom vielen abrubbeln der Schminke war. Schließlich entschied ich mich dann ganz einfach für etwas Mascara, Make-Up und ein wenig Rouge. Süß! Wiedereinmal wurde der Lippgloss meiner Lieblingsmarke zum Sahnehäubchen auf meiner Ich-Torte.
Ich war wirklich stolz auf mich als ich um Punkt fünf vor halb drei das Haus verließ und sogar etwas schönes zum Anziehen gefunden hatte.
Ich klingelte Sturm. So war ich immer, wenn ich nervös war. Nervig…Unwiderstehlich…sexy?
Benni öffnete mir. In seiner Schürze, mit der Aufschrift: ‘Der Chefkoch ist der Star’, sah er einfach hinreißend aus. Süß!
“Hey, Julie!”
“Hallihallo.”
“Komm doch rein. Warte ich nehm dir die Jacke ab.” Was für ein Gentlemen. Plötzlich piepte es. Ich fuhr erschrocken auf.
“Oh, die Nudeln sind fertig.” rief er, während er in die Küche eilte. Ich schnupperte. Es roch verdammt gut. Leider hatte ich nicht den gewünschten Hunger mitgebracht, sondern nur die Hälfte davon. Aber, das war die Hälfte von dem Hunger den ER sich vielleicht gewünscht hätte. Denn ich war zufrieden mit mir! Ich würde heute nicht wie eine Fressmaschine wirken.
Ich sah mich um. Der Flur sah noch sehr kahl aus. Die Bilder die anscheinend noch aufgehängt werden sollten lagen nämlich noch alle auf dem Boden.
“Schöne Bilder!” rief ich in Richtung Küche.
“Danke! Die hat meine Mutter gemalt.”
“Wirklich? Verdammt gut. Echt!”
“Ja, finde ich auch. Ein paar von ihren Bildern verkauft sie auch, aber das meiste ist ihr Hobby.” sagte Benjamin als er mit einem Topf an mir vorbei in das vermeintliche Esszimmer ging.
“Bis morgen müssen wir hier noch ein bisschen was dran machen. Naja, also unser Esstisch wird erst morgen geliefert und deshalb müssen wir an den Klapptisch ich hoffe…”
“Nein. Wie schön!” rief ich als ich den Tisch sah. Benni hatte sich echt viel Mühe gegeben und alles wie bei einem Candlelight-Dinner aufgebaut. Kerzen. Eine rote Rose. Schön gefaltete Servierten. Hammer!
“Gefällt es dir?”
“Ja, und wie! Es ist umwerfend.”
“Toll. Danke. Willst du essen?”
“Und ob!”
Das Essen war einfach toll. Ich redete wieder weniger und lachte dabei umso mehr. Aber ich achtete immer darauf mich nicht zu verschlucken. Bis: Benni machte einen Witz und ich lachte natürlich noch darüber. Beim Trinken! Aua. Das ist echt übel ausgegangen. Benni dachte ich würde wohl ersticken und klopfte mir auf den Rücken, doch das machte es nur noch schlimmer. Ich hustete und keuchte und spuckte und…iiieh! Ich ekelte mich vor mir selbst. Voll mit Eistee rannte ich ins Bad und verbarrikadierte mich dort. Von vor der Tür hörte ich Bennis Stimme: “Komm da raus.”
“Nein! Das ist voll peinlich!”
“Nicht deswegen. Da ist noch kein Wasseranschluss. Und außerdem war das nicht peinlich!”
Ich stutzte und drehte vergeblich am Wasserhahn. Kein Wasser. Natürlich. Langsam schloss ich auf und ließ mich peinlich berührt von ihm ins andere Badezimmer geleiten.
Dannach erzählte er mir alle seine peinlichsten Geschichten. Das waren wirklich viele und teilweise wirklich peinliche Stories. Wie z.B., dass er mal früher seine Oma umarmt hat und dabei mit seiner Zahnspange (Er trägt jetzt keine mehr) in ihrem Pullover hängen geblieben ist. Oh mein Gott!
Aber trotzdem fand ich meine Geschichten, und vorallem die, mit meiner Mutter, am schlimmsten.
“Willst du etwas trinken?” fragte Benni mich jetzt.
“Ja, gern.” Er ging in die Küche und holte zwei große Gläser Apfelschorle.
“Wollen wir uns in den Garten setzten?” fragte ich und betrachtete den ordentlichen und gepflegten Garten durch das Fenster.
“Ja, können wir machen!” murmelte er und balancierte langsam die Gläser in Richtung Tür. Ich wollte möglichst cool erscheinen und schonmal vorraus gehen und mich auf einem Liegestuhl in Pose bringen bis er endlich kam. Promt lief ich gegen die Scheibe. Na klar. Die Tür war noch nicht offen. Mann, waren die Scheiben vielleicht sauber.
“Hast du dir wehgetan?” rief Benni sofort, stellte die Gläser auf einem Tischchen ab und rannte zu mir.
“Nein, nein. Geht schon!”
“Wirklich? Sieht aus als würdest du da eine richtig fette Beule bekommen!” Na, toll! Eine Beule. Damit mich Sara am Montag Beulenqueen nennen konnte? Verdammt! Mist! So was Blödes. Und das sah sicher nicht nur scheiße aus sondern tat auch noch furchtbar weh.
“Au.” fluchte ich, als er mir die kalte Apfelschorle an die Stirn hielt.
“So besser?”
“Ja, schon. Danke. Sowas passiert auch echt nur mir!” Er kam näher um sich meine Beule zu begutachten. Ich kniete auf dem Boden und er hockte vor mir.
“Sieht aber echt fett aus!”
“Danke.” murmelte ich leicht gereizt.
“Wird schon wieder.”
“Mh.”
“Was hast du eigentlich für eine Augenfarbe?” fragte er und es kam mir vor wie ein Ablenkungsmannöver. Er schaute mir tief in die Augen und kam näher.
“Ich … ähm … grün.”, stammelte ich verzweifelt und merkte, dass meine Stimme versagte.
“Schöne Augen hast du.”, flüsterte er und kam noch näher. Unsere Nasen berührten sich fast. Ich wusste: Das war eigentlich der Moment wo ich die Augen schließen sollte und er noch näher kommen sollte und wo wir uns küssen sollten. Aber ich war viel zu nervös und wusste gar nicht was ich tat, als ich es tat. Ich drehte meinen Kopf weg und schaute aus dem Fenster in den Garten. Völlig verwirrt, jedoch nicht ganz aus der Fassung gebracht, folgte er meinem Blick.
“Schau mal. Ein Eichhörnchen.”, rief ich, obwohl weit und breit keines zu sehen war. Nein! Nein! Nein! Ich war wirklich der allerblödeste Mensch. Eine totale Versagerin. Ein Feigling. Oh, nein! Jetzt wird er warscheinlich das selbe über mich denken und sich an Sara ranmachen. Ok. Alles nur das nicht! Bei der nächsten Möglichkeit würde ich es tun! Auf jeden Fall!
“Wo jetzt genau?” fragte er und starrte mich mit einer Mischung aus Neugierde, einem Grinsen und etwas Entsetzen an.
“Ach, schon weg. Tschuldigung.”
“Mmh…”
“Du … ähm … du hast auch schöne Augen. Blau! Meine Lieblingsfarbe. Toll!” Gib einem Jungen nie das selbe Kompliment zurück. Sonst denkt er, du wolltest ihn verarschen. Verdammt!
“Echt?”
“Ja.”
Er stand auf und zog mich hoch.
“Komm. Wir gehen auf mein Zimmer. Das habe ich dir noch gar nicht gezeigt.”
Sein Zimmer war schön groß und hell. Es war im obersten Stockwerk und lag direkt unter dem Dach.
“Tolles Zimmer hast du.”
“Finde ich auch.”, murmelte er und grinste mich an. Dann geschah alles sehr schnell. Er nahm ein Kissen von seinem Wasserbett, ich glaubte etwas wie ‘Lust auf eine Kissenschlacht’ zu hören und dann warf er mich ab. Dannach schubste er mich aufs Bett und schmiss sich neben mich. Wir prügelten uns mit all seinen Kissen.
Bis wir irgendwann ermattet einfach nur noch zurückfielen und nebeneinander auf dem Bett lagen. Wieder einmal durchströmte mich eine unfassbare Wärme und ich wollte nie mehr von ihm weggehen. So nahm ich all meinen Mut zusammen und rollte mich auf die Seite an seinen starken Körper.
Er legte seinen Arm daraufhin um meine Taille. Alles war still. Man hörte nur unseren regelmäßigen Atem und das gluckern der Matratze unter uns. Er drehte seinen Kopf etwas zur Seite und sah mich mit einem durchdringlichen Blick an.
“Julie?”
“Ja?”
“Was ist dein größter Wunsch?”
Mit dir zusammen sein bis einer von uns stirbt natürlich!
“Ähm … dass ich und meine Familie ganz lange und glücklich leben.” Verdammt wie unehrlich ich doch war.
“Ok. Das ist interessant und was denkst du grade?”
“Ich denke an dein tolles Wasserbett.” Das war wiedereinmal nicht ehrlich. Ich dachte an ihn. Nur an ihn.
“Und du?”
“Mh. Ich denke an dich. Und an mich. Und an dein Lächeln. Ich mag dein Lächeln.” Ich wurde rot, was leider nicht zu verhindern war. Verdammt.
“Wie süß. Du wirst ja rot!”
“Echt?” Dumme Frage, Julie!
Er nickte. Und dann kam er wieder näher. Aber diesmal war er viel plötzlicher da als vorher. Unsere Nasen berührten sich. Diesmal ganz. Ich würde nicht wegzucken! Ich muss jetzt die Augen schließen, sagte ich mir und schloss sie. Dann spürte ich seine Lippen auf meinen und mich durchströmte eine Hitze und ein Glücksgefühl wie noch nie zuvor. Es war so schön. Ich erwiderte seinen Kuss. Und so küssten wir uns fast eine Minute. Dann öffnete ich die Augen und unsere Lippen lösten sich.
“Das war schön!” sagte er und lächelte mich an.
“Ja.”, flüsterte ich, als ich meine Sprache endlich wiedergefunden hatte. “Benjamin?”
“Mh?”
“Darf ich dich Benni nennen?”
“Na klar, Prinzessin.” Ich spürte es. Ich wurde wiedereinmal knallrot. Wie eine Tomate. Peinlich? Nein! Süß! Total süß! Er war ja soooooo süß.
“Ok, Benni. Ich liebe dich!”
“Ich dich auch.” Diesen Satz würde ich nie vergessen. Er würde für immer so in meinen Ohren bleiben. Dieser Moment sollte nie, niemals enden. Niemals.
Aber er tat es und zwar sehr abrupt. Wir hörten eine Tür ins Schloss fallen und eine Frauenstimme rufen: “Benjamin? Bist du da?”
“Ja, Mom.” rief er und grinste mich an. “Meine Mom.”, murmelte er.
Da erschien diese auch schon in der Tür und erkannte die Situation sofort.
“Hi, ihr beiden. Benjamin? Wenn ihr was braucht, ich bin unten.” Sie schenkte mir ein warmes Lächeln und schloss dann die Tür hinter sich. Wenn ich mir vorstelle wie meine Mutter reagiert hätte. Sie wäre warscheinlich durchgedreht. Vor Freude. Möglicherweise hätte sie sich Benni geschnappt, gedrückt und mit ihm einen Freudentanz aufgeführt und … nein! Ich wollte es mir lieber nicht vorstellen.
“Hey, Julie! Was ist los? Bedrückt dich was?”
“Nein. Gar nichts. Ich habe nur nachgedacht.” Und dann blubberte es einfach so aus mir heraus. Ich konnte es gar nicht ändern.
“Sind wir jetzt eigentlich zusammen?”
“Ja. Ganz offiziell!” Er grinste.
“Cool!”
“Und was ist wirklich dein größter Wunsch?”
“Ich will für immer mit dir zusammen leben.”
“Bis das der Tod uns scheidet, mein Engel.”
“Ja.”, hauchte ich und küsste ihn auf die Wange. Er mich daraufhin auf den Mund. Langsam fuhr er mir mit seiner großen, starken Hand durchs Haar.
Ich schaute mehr oder weniger unfreiwillig auf die Uhr.
“Mist!”, murmelte ich fast unhörbar.
“Was denn?”
“Ich müsste schon längst zuhause sein.”
“Soll ich mit rein kommen und alles erklären?”
“Nein, danke. Aber das ist voll lieb von dir!”
“Na klar. Ich bin immer für dich da!” Ich stand auf und ging aus dem Zimmer. Er folgte mir und an der Tür gab er mir noch einen langen Kuss auf den Mund.

Ärger bekam ich zwar keinen, aber dafür ziemlich finstere Blicke meiner Mutter, weil ich ihr nicht erklären wollte was wir solange gemacht haben außer zu essen. Denn das wusste sie schon. Mit der Ausrede, dass ich totmüde war ging ich auf mein Zimmer. Das Telefon hatte ich natürlich dabei.
“Hey, Julie! Erzähl!” sagte Tyler extrem aufgeregt, als sie den Hörer abnahm.
“Ja. Also erstmal hat er gekocht. Spaghetti. Verdammt lecker, sag ich dir! Dann habe ich dummerweise andauernd lachen müssen und hab mich natürlich irgendwann am Eistee verschluckt.” Ich hörte ihr glockenhelles Lachen an der anderen Seite der Leitung.
“Typisch für mich. Ich weiß! Naja. Irgendwann bin ich dann noch gegen die Tür gelaufen und als er mich anschließend küssen wollte habe ich mich weggedreht.” Wieder schallendes Gelächter am anderen Ende. Es hörte sich schon fast so an als wäre meine beste Freundin nicht die einzige die meiner Geschichte lauscht und sich anschließend darüber amüsierte.
“Tyler? Ist da noch wer bei dir?”
“Hä? Was? Achso. Ja, Anny war grade noch kurz in meinem Zimmer!” Puh. Es war nur ihre große Schwester. Na klar! Wenn es morgen nicht die ganze mindestens Familie wusste (wenn nicht sogar die gesamte Schule), dann wäre es nicht Anny gewesen die zugehört hatte.
“Aber jetzt ist sie weg, ja?”
“Jaha. Erzähl weiter!”
“Ok. Schließlich haben wir noch eine Kissenschlacht in seinem Bett gemacht…”
“IN seinem Bett?”
“Nein! AUF dem Bett natürlich! Und dann hat er mich geküsst!”
“Wie süß!”
“Ja. Irgendwie ja schon.”
“Und jetzt seid ihr so richtig zusammen?”
“Das habe ich ihn auch gefragt!”
“Nein? Ist nicht dein Ernst!”
“Doch! Und: ja, wir sind jetzt so richtig zusammen!”
“Schön!”
“Ich bin ja so glücklich.”
“Du, ich freu mich echt riesig für dich, Baby. Aber ich muss jetzt Schluss machen. Jess liegt mir die ganze Zeit schon in den Ohren, weil sie endlich ihren Freund anrufen will! Also bye!”
“Bye.”, sagte ich und legte auf. Jess, war Tys andere große Schwester. Sie hatte drei Schwestern. Jess, die war 16, Anny, sie war Jess’ Zwillingschwester und Kim, die elf war. Ja. Eine Goßfamilie würde ich sagen! Vielleicht würden Benni und ich ja auch bald so eine haben. Was für ein Gedanke! Halloo? Ich war grade mal eine Stunde mit ihm zusammen und dachte direkt so etwas!
Mit weniger beängstigenden und merkwürdigen Gedanken, aber einem wunderbaren Gefühl im Bauch schlief ich ein.

5. Kapitel

Wow! Was für eine Nacht. Ich hatte natürlich nur von IHM geträumt. Kein Alptraum! Schön war das. Ein neuer Tag beginnt!
Für den heutigen Tag wählte ich einen süßen Jeansrock, der ganz wunderbar meinen Hintern betonte und ein hautenges pinkes Top. Toll! Dazu meine silbernen Ballerinas. Wieder einmal würde ich meinen Benni einen ganzen Tag lang sehen! Denn heute war die Einweihungsfeier für sein Haus und … heute war Schulfrei! Irgend so ein Feiertag. Was für eine Vorstellung. Einen Tag lang war er MEIN! Das war irgendwie schon was unheimlich. Oder eben Schicksal, dachte ich mir und sprühte mich von oben bis unten mit meinem Lieblingduft von Paco Rabanne: “Black XS for her” ein! Der roch so verdammt verführerisch, fand ich. Nachdem ich mich dann noch gefühlte fünf Stunden mit allen möglichen Love-Tests, wie ‘Seid ihr auf Wolke Sieben?’ oder ‘Ist er gut für dich?’, beschäftigt hatte, ging ich endlich los. Zwei Häuser weiter, sah ich meinen Freund total relaxt im Türrahmen seiner Haustür stehen und auf mich warten. Als ich die Treppe zur Veranda des Hauses hochstieg, hörte ich endlich seine wunderbare Stimme wieder:
“Hey, mein Engel!”
“Hallöchen.”
Er küsste mich. Einfach nur ein Begrüßungskuss. Wie wunderbar! Und wie oft ich doch schon davon geträumt hatte!
“Die meisten Gäste sind schon da und beteiligen sich grade an einer exklusiven Hausführung! Willst du mitmachen?”
“Nein. Ich würde lieber hoch auf dein Zimmer. Mit dir!”
“Na, das finde ich auch keine schlechte Alternative!” Er grinste und legte seinen Arm um meine Taille.
Während wir vor seiner Zimmertür warteten bis die anderen Gäste auch diesen Teil des Hauses gesehen hatten, kam Benjamins Mutter auf mich zu. Anscheinend schien ihr Mann die Führung zu machen.
“Hallo, Julie!”
“Guten Tag, Mrs. Miller.” sagte ich höflich und schüttelte ihr die Hand. Als die Gäste Bennis Zimmer verließen kam ein Mann strahlend auf mich zu und während Bennis Mutter die anderen Gäste schonmal nach unten begleitete, sagte er:
“Du bist Julie, oder?” Ich nickte.
“Benjamin hat schon viel von dir erzählt!”
“Dad!” zischte Benjamin und sah mich mit dem typischen Ja-also-DAS-sind-meine-Eltern-Blick an.
“Ich muss jetzt auch schon wieder! War nett dich endlich kennengelernt zu haben, Julie!” rief Mr. Miller noch über die Schulter während er die Treppe hinuntereilte.
“Ok…” murmelte ich und versuchte zu lächeln. Wieder einmal war ich knallrot geworden, obwohl seine Eltern doch so nett zu mir gewesen sind.
Wieder einmal lagen wir auf seinem wunderbaren Wasserbett. Schön war das! Und wiedereinmal war es so still, dass man nur noch das Gluckern und unseren Atem hörte. Es war zu still.
“Benni?”
“Ja?”
“Du … ähm … liebst mich doch, oder?”
“Ja, Liebling.”
“Und … nicht Sara … oder so?”
“Nein, Liebling.”
“Dann ist ja gut.”
“Mh.”
“Ich wollte nur noch mal sichergehen.”
“Bist du eifersüchtig, Schatz?”
“Nein, ich … ja, ein bisschen.”
“Das ist unnötig, mein Engel!”
“Wirklich?”
“Ja. Vollkommen!”
“Ok.”
Ich säufzte zufrieden.
“Ich liebe dich, Benni!”
“Schön.”
“Was?”
“Ich dich auch, Liebling.”
“Achso.”
Wieder war es still. Dann fing er an mich zu küssen. Langsam. Von meinem Mund, den Hals entlang, weiter runter. Als er an meinem Bauchnabel angekommen war, durchströmte mich wieder dieses wunderbare Gefühl. Er sollte nicht aufhören, dachte ich mir. Allerdings auch nicht dort weitermachen wo er angekommen war.
Als hätte Benni meine Gedanken gehört, wanderte sein Mund wieder hoch zu meinem und verharrte da eine ganze Zeit. Es war ja so schön. Mein Körper begann zu glühen. Dann öffnete er meine Lippen ganz sanft mit seinen und unsere Zungen berührten sich. Juppieh! Mein erster Zungenkuss, dachte ich. Das musste Tyler erfahren. Die wurde warscheinlich grün vor Neid. Vielleicht auch nicht. Sie hatte das ja schon alles hinter sich. Mit dreizehn hatte sie ihren ersten und letzten Freund gehabt. Ich merkte, dass ich instinktiv die Augen geschlossen hatte und öffnete sie wieder. Er lag neben mir und schaute mich an. Mit seinen schönen lightskyblue-farbenen Augen. Wunderbar. Sollte jemals irgendjemand es auch nur wagen mein Glück zu zerstören, indem mir dieser jemand meinen Benni wegnahm, müsste er dem Tod ins Auge sehen. Denn er war mein Benjamin! Nein. Ich war nicht verrückt!
“Für immer und ewig?”
“Für immer und ewig, mein Engel!”
“Du machst mich ja ganz wuschig!”
“Soso? Tu ich das?”
“Jep.”
“Es war nur ein Kuss.”
“Ja, aber mein erster Zungenkuss.”
“Wirklich?”
“Ja.”, gab ich kleinlaut zu. Er lachte.
“Warum lachst du? Also, es ist ja nicht so, dass ich dein Lachen nicht mag, aber…”
“Ich liebe dich. So wie du bist!”
“Na, dann.” Ich kuschelte mich an ihn. Und er nahm mich in den Arm und kraulte mich am Hinterkopf.
“Du riechst gut.” flüsterte er nach einer erneuten Zeit der Stille. Ich sog seinen wunderbaren Duft ein.
“Du erst!”
“Danke.”
“Na klar.”
“Du? Weißt du was in genau zwei Wochen ist?”
“Öhm … nein. Nicht wirklich.”
“Mein Geburtstag.” Er grinste mich wieder einmal an und setzte sich auf.
“Oh. Wirklich?” Dämliche Frage, Julie!
“Nein.”
“HAHA!” Scheiß Ironie!
“Natürlich.”
“Ok. Jetzt weiß ich es ja.”
Dann war es wieder eine ganze Zeit lang still und Benni ging auf den Balkon und sah hinaus. Ich stand auf und stellte mich neben ihn.
“Was wünscht du dir denn?”
“Nichts, Julie.”
“Ach, Quatsch. Tu nicht so bescheiden!”
“Na gut!”
“Und?”
“Dich. Für immer.”
“Geht klar. Sonst noch was?” Wieder lachte er und langsam fühlte ich mich verarscht. Da ging die Zimmertür auf und seine Mutter kam hinein. “Die Führung ist jetzt zuende, ihr beiden. Wir essen jetzt alle etwas. Es gibt ein großes Buffet unten in der Küche.”
“Hast du Hunger?” fragte Benni.
“Ja, schon ein wenig.”
“Wir kommen mal mit runter und gucken was es so gibt.”
“Na klar. Ich bin schon mal unten.” sagte Mrs. Miller freundlich und ging wieder.
“Hast du wirklich Hunger?”
“Ja, natürlich!”
“Na gut.”
Wir gingen nach unten und quetschten uns durch die Menschenmenge in der Küche. Das Buffet sah wirklich zu gut aus, aber ich musste meinen Hunger zügeln. Sonst sah ich bald nicht mehr so vorteilhaft in meinem hautengen Top aus.
Es gab aber so viele leckere Sachen. Frikadellen, Muffins, Nudelsalat, Gurkensalat, Kuchen, Kekse. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ich schnappte mir schnell zwei Muffins, drei Frikadellen und schüttete mir zusätzlich noch eine Schale mit Gurkensalat voll. Benjamin sah mich mit einem nicht deutbaren Blick an. Selber nahm er sich nur ein Würstchen und eine Scheibe Brot dazu und zog mich wieder auf sein Zimmer.
“Du isst ja doch nicht so wenig wie ich dachte.”
“Ja…ähm…habe etwas Hunger.”
“Nein, nein. Das ist doch nicht schlecht, wenn du mehr isst. Ich dachte schon du wärst auch auf so einem Ich-bin-zu-fett-obwohl-ich-nur-40-Kilo-wiege-Tripp. Aber dann ist ja gut. Jetzt bin ich beruhigt!”
“Ok.” murmelte ich und aß die erste Frikadelle.
“Was hast du morgen vor?”
Er grinste.
“Ich glaube ich muss dich mal mit meinem Wochenplan vertraut machen!” lachte er und biss von seinem Würstchen ab.
“Also. Montags habe ich normalerweise lange Schule! So wie du auch. Dienstags und Donnerstags abends habe ich Handballtraining und Donnerstags nachmittags noch Gitarrenunterricht. Und Mittwochs wieder lange Schule. Außerdem noch abends Boxen. Und…”
“Warte mal! Du boxt?”
“Ja. Warum nicht. Irgendwie muss ich dich doch vor all den bösen Typen, die da draußen lauern beschützen!” Wieder grinste er und aß sein Würstchen und die ganze Scheibe Brot auf einmal auf.
“Ist ja abgefahren!” murmelte ich und starrte an die Wand gegenüber von seinem Bett. Kein Poster, fiel mir auf. Überhaupt waren im ganzen Zimmer nur wenig Poster. Eins von ‘Fall out boy’, ein anderes von ‘Linkin Park’ und eines von einer englischen Rockband, die ich nicht kannte.
“Ok. Wo war ich stehen geblieben?”
“Freitag, Samstag, Sonntag?”
“Ah. Ok. Also, Freitag habe ich mal einen ganzen Tag nur für dich Zeit. Abgesehn von der Schule natürlich. Obwohl ich da auch immer für dich da bin!”
Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und er hielt mein Gesicht zärtlich fest und küsste mich wiedereinmal lang und schön. Und als er fertig war musste ich sogar nach Luft schnappen, was mir irgendwie peinlich war.
“Naja. Und Samstags habe ich manchmal Handballspiele oder -turniere oder auch mal einen Boxwettkampf. Sonntags bin ich dann wieder ganz für dich da, mein Engelchen!”
“Wunderbar.”
“Mh.”
“Und du?”
“Das ist nicht schwer. Also Montags und Mittwochs lange Schule. Dienstags habe ich Tanzen. Standarttanzen. So mit Partner. Weißt du?”
“Klar. Hab ich auch zwei Jahre gemacht. Das war aber noch in Frisco.”
“Was? Du kommst aus San Francisco?”
“Ja, hab ich das noch gar nicht erzählt?”
“Nein. Mann, ist das geil! Das ist so weit weg und…ich wollte schon immer mal nach San Francisco!”
“Echt?”
“Ja!” Ich drehte total durch. Wenn ich mal wegziehen sollte, weg von Pensacola und seinem langweiligen Strand und allem, dann nach San Francisco! Ich war ein totaler Fan von dieser Stadt. Was für ein Zufall. Oder ein Wink des Schicksals? Möglich.
“Erzähl mal was. Von den Sehenswürdigkeiten und der Stadt und allem. Bitte!”
“Schon in Ordnung, du kleine Nervensäge. Da haben wir einmal die Golden Gate Bridge, 2800 m lang ist. Die kurvenreichste Straße der Welt, die Lombard Street. Dann gibt es da noch einen Wolkenkratzer im Financial-District namens Transamerica Pyramid und…mein Gott du stellst vielleicht Aufgaben…also, dann sind da noch so ein paar unbekannte Sachen wie Mission Dolores, Presidio oder die Painted Ladies.”
“Ich kenne sie alle.”
“Wow. Dann muss dich diese Stadt ja schon wirklich sehr interessiert haben. Ich bin beeindruckt!”
“Du?”
“Mh?”
“Mich beschäftigt gerade die ganze Zeit eine Frage.”
“Hau sie raus!” sagte er aufmunternd und grinste wieder. Während ich in meinem Salat herummatschte.
“Also, du darfst aber bitte nicht sauer werden. Ok?”
“Hast du mich schon mal sauer erlebt?”
“Nein.”
“Na dann.”
“Hattest du in Frisco viele Freundinnen?” Er lachte. Ich hatte wirklich mit allem gerechnet. Mit Anschuldigungen der Eifersucht, mit keiner Antwort, mit so ziemlich allem. Aber damit nicht!
“Nein. Ehrlich gesagt nicht.”
“Wie viele?”
“So sechs.”
“Was?”
“Und du?”
“Sechs Stück?”
“Jaha.”
“Ok.”
“Sag mal.”
“Keinen.” Er lachte schon wieder. Also das war doch wohl jetzt der unpassendste Moment für so etwas! Fies! Trotzdem liebte ich ihn für sein süßes Lachen.
“Nett.”
“Mhpf.”
“Komm. Ist doch ein Anfang.”
“Na klar! Ihr Jungs habt bei sowas immer gut reden.” Ich geriet richtig in Fahrt! “Euch ist es doch eigentlich gleich. Je mehr, desto besser. Ich weiß bescheid. Ihr seid cool. Ihr seid die Besten der Besten, wenn ihr mal mehr Freundinnen hattet als euer bester Kumpel. Ok, ok. Aber wir Mädchen werden immer sofort als Schlampe abgestempelt. Und das sogar schon bei mehr als einem Freund innerhalb von zwei Wochen! Halloooo? Wo bleibt da die Gerechtigkeit?”
“Du bist ja sowas von süß, wenn du dich aufregst.”
“Wag es nicht!”
“Doch, bist du aber. Und, es tut mir leid, dass du das so siehst, Liebling.” Er küsste mich. Das brachte mich allmählich dann wieder runter. Und der Ärger war wie weggepustet.
“In Ordnung?” Ich nickte und stellte meinen Teller auf den Boden. Ein Muffin und der Gurkensalat waren noch übrig. Aber mein Magen spielte total verrückt, so dass ich mir wirklich nicht mehr sicher war was er wollte. Benjamin stand auf und ging zu einem Regal. Aus einer Schublade zog er dann ein paar Briefe. Ich nahm jedenfalls an, dass es welche waren. Dann setzte er sich wieder zu mir.
“Ich will ja nicht angeben, aber…” Er gab mir den Stapel. Es waren Liebesbriefe. Ich ergänzte seinen Satz:
“…das tust du!”
“Naja. Ich dachte, wir sollten natürlich keine Geheimnisse voreinander haben. Und das wäre wohl eins.”
Ich nahm den ersten Brief, faltete ihn auseinander und las:

Liebster, Benjamin!
Du bist so süß, wie soll ich es dir sagen?
Jeden Tag will ich dich fragen.
Willst du mit mir zusammensein?
Ich wäre dann für immer dein.

Deine Augen sind so schön wie die Sonne,
und deine Haare sind so golden wie Stroh,
Du lachst immer so voll Wonne,
Nur mir dir da bin ich froh.

Deine Hannah

“Hannah? Wer ist Hannah? Was für ein Name überhaupt?! Hannah!”, ätzte ich ihn an.
Er lachte.
“Wie schnulzig ist denn das?”
“Höre ich da etwa ein ganz klein wenig Eifersucht heraus?”
“Niemals!”
“Achso.”
Ich sparte mir das weiterlesen und packte die Briefe wieder in die Schublade wo er sie herausgeholt hat.
“Fast hätte ich dir auch so einen geschrieben.”
“Was?”
“Ich habe es ja nicht getan.”
“Wie viele Briefe sind es?”
“Dreiundvierundfünfzig.”
Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf.
“Mh.”
“Und fast alle von verschiedenen Mädchen.”
“Du willst ja doch angeben.”
“Nur ein bisschen.” Er grinste wieder und dann küssten wir uns.

“Boar. Was für ein gerissenes Arschloch!”
“Ach, komm, Ty. Das waren doch nur Briefe.”
“Nur Briefe?”
“Na gut. Er ist ein gerissenes Arschloch.”
“Und sonst?”
“Wir haben unseren ersten Zungenkuss gehabt.”
“Und? Wie war’s?”
“Schön.”
“Irgendwie feucht?”
“Nein. Gar nicht. Ich hatte nur seine Zunge in meinem Hals stecken, was irren Speichelfluss bei mir verursachte, weil er so hammer ist!”
“Ach so.”
“Ja. Und er hatte schon sechs Freundinnen. Damals. In Frisco.”
“Nicht wahr?”
“Doch! Er kommt aus San Francisco!”
“Geil!” Tyler und ich waren BEIDE riesiege Fans der Stadt. Ich glaube ich hatte sie damals angesteckt!
“Schon irgendwie. Du, ich muss diesmal jetzt schon Schluss machen. Muss noch ein paar Hausaufgaben machen. Bis morgen, Süße. Küsschen!”
“Bye, bye!”
Es klickte und die Leitung war unterbrochen. Ich vernahm noch ein gedämpftes Tuten, dann legte ich auch auf.

6. Kapitel

Heute war der erste Schultag an dem die ganze Schule erfahren würde, dass ich und Benni zusammen waren. Und das zeigte sich auch sofort in der ersten großen Pause.
Melly, Cathrin, Evy und Judith kamen zu mir. Alle umarmten mich und beglückwünschten mich. Während dieser ganzen Prozedur, die sicherlich fast zehn Minuten dauerte, stand Benjamin ungerührt neben mir. Lächelte mich zeitweise an und hielt die ganze Zeit meine Hand. Ja! Wir gingen Händchen-haltend durch die Schule, küssten uns mitten im Flur und füßelten während der Stunde. Füßeln, das ist der moderne Ausdruck für Füße aufeinander legen und hin- und herwippen.
Mit den Füßen. Naja. Auffälliger ging es kaum. Das wusste ich. Und genau aus dem Grund wunderte ich mich, dass Sara in der ersten großen Pause noch nicht zu mir gekommen war. Vielleicht musste sie es ja erstmal verdauen und saß gerade auf dem Mädchenklo umringt von ihren Zickenweibchen und heulte sich die Augen aus dem Kopf. Schöne Vorstellung. Aber ich wettete darauf, dass es nicht so war. Leider. Aber man konnte ja nicht alles im Leben haben. Andere würden mich vielleicht ja auch schon verwöhnt nennen. Ich hatte einen beliebten, gutaussehenden, tollen, liebevollen Freund, eine beste … nein … eine allerbeste Freundin, eine gute Figur, einen lieben, kleinen Bruder … äh … na gut! Man musste ja nicht gleich übertreiben! Aber es ging mir wohl rundum gut! Bis Melly und ich allein waren, weil Benni mit seinen Kumpels reden musste und die anderen drei sich etwas zu Essen in der Cafeteria holen wollten. Nein! Ein wahrer Alptraum-Moment!
“Soso.” knurrte Melly.
“Ja. Soso. Was willst du?”
“Ich will Benjamin! Und das weißt du.”
“Warum? Wir waren mal Freundinnen, Melly. Weißt du das noch?”
“Ach wirklich? Nein, das war mir jetzt ganz entfallen.”, meinte sie gehässig und schaute quer über den Schulhof. Ich folgte ihrem Blick und konnte Sara und ihre Zickenweiber erkennen.
“Sara. Das ist aber auch deine einzige ‘Soldatin’, die gegen mich in den Krieg ziehen wird. Oder sollte ich besser sagen, dass du ihre bist!”
“Pah. Das glaubst du! Du weißt ja gar nicht wie viele Neider du schon hast.”
“Neider?”
“Jawohl. Sie beobachten dich, meine Liebe!” Melly flüsterte schon fast und guckte mir nun direkt in die Augen. Mit einem Blick, der sicherlich das Herz zum Stillstand bringen könnte, sah sie mich an.
“Nimm dich in Acht!”
“Nimm dich in Acht. HAHAHA! Was soll das denn bitte werden? Ein Kriegsangebot? Na, ich glaube den haben wir sowieso schon.”
“Lass deine blöden Sprüche und sag, dass du ihn verlassen wirst!”
“Sag mal, hast du dir beim asitoasten etwa das Hirn verbrannt oder haben sie dir vielleicht deinen Anti-Julie-Chip grade neu gerichtet? Du tickst ja nicht ganz sauber, Mädel. Lass dich bitte mal untersuchen, ja?”
“Ich sagte doch bereits: Lass deine blöden Sprüche!”
“Oh oh oh. Wird das kleine Melly-Kätzchen, dass immer nur der großen, bösen Sara folgt und alles macht was sie sagt, zu einem Tiger? Ja? Armes Melly-Kätzchen.”
“Halt den Mund!”
“Halt du ihn doch!”
“Pah.”
“Selber pah! Du bist doch total durchgeknallt, Madame!”
“Wag es ja nicht!”
“Hab ich doch schon.”
“Du wirst schon noch sehen was du davon hast, billiges Flittchen!”
“Schätzchen, wenn ich billig bin, dann bist du kostenlos. Merk es dir!”
Ich sah Melly an, dass sie mir am liebsten eine reinhauen würde und das machte mir noch mehr Mut. Das Schönste, aber wirklich das Allerschönste, waren doch wirklich immer noch die Mädels, die sich über einen aufregten.
Sie würgte etwas, wusste aber nichts mehr zu sagen.
“Hat es dir die Sprache verschlagen?”, fragte ich und grinste so süffisant wie möglich. Provozier sie, schoss es mir durch den Kopf.
“Garantiert nicht!”
“Ah, genau! Da frage ich mich doch: Wo bleibt denn das grummelige ‘Warte nur bis Sara kommt’?”
“Du hast es begriffen! Warte nur bis Sara und ihre Mädels kommen.”
“Du meinst die Zickenweiber?”
“Wie bitte?”
“Ich glaube du hast schon sehr richtig verstanden! Zi-cken-wei-ber!” Ich genoss das Wort und seine Wirkung in vollen Zügen. Melly fing an zu kreischen. Und zwar so laut, dass ich mich schon wunderte und mich fragte, ob es ihr nicht peinlich sein würde.
“Du wagst es nicht noch einmal mich und andere meiner Freundinnen zu beleidigen, du kleines, verfaultes Miststück!”
“Verfault? Wohl eher nicht! Du abartiges, fettes, häßliches, dummes Blondinen-Schweinchen mit Föhnfrisur! Du widerst mich an!” Einem Mädchen mit so einer derart häßlichen blonden Mähne stand das Ich-bin-doof ja aber auch geradezu ins Gesicht geschrieben!
“Bl…Blondinen-Schweinchen?”
“Ja! Mit ganz viel Hüftgold!”
“Ich und Hüftgold?”
“Man könnte es auch Schwabbelspeck nennen!” Das waren so Sachen, die garantiert jedes Mädchen in den Wahnsinn trieben. Und Melly war nicht wirklich dick. Auch nicht ründlich! Aber sie hatte schon ein paar kleine Speckfältchen. Eigentlich genau wie ich. Aber da wir ganz bestimmt keine Freundinnen mehr waren war es mir egal wie sehr ich sie damit verletzte!
“Großmäuliger, stinkender Pavian!”
“Pavian? Hast du etwa gerade Pavian gesagt? Hey! Nichts gegen Paviane. Ja? Die gehören zu meinen Lielingstieren! Und, wo wir grade in der Zooabteilung angekommen sind. Wenn ich dich an einen Pavian errinnern sollte, dann muss ich dir sagen: Du errinnerst mich an eine Qualle. Die bestehen zu 99% aus Wasser und haben kein Gehirn.” Das hatte ich aus irgendeinem Film. Aber es war gut genug um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Melly jaulte auf, als hätte ich sie abgestochen, wie ein Schwein. Ein kleines, fettes, blondes rosa Schweinchen. ironie des Schicksals, dachte ich mir.
“Wenn du glaubst, dass du mich mit deinen hirnlosen, arroganten Sprüchen zerschmetterst, dann hast du dich getäuscht!”
“Das einzige was hier hirnlos und arrogant ist, bist du, meine Teuerste!”
“Verpiss dich!” zischte sie.
“Sorry ich versteh dich nicht. Die Blondie-Schweinchen-Sprache habe ich wohl noch nicht so ganz daruf!”
“Du hälst dich auch für was ganz besonderes.”
“Hör mal, Schätzchen. Deine Sprüche langweilen mich! Und ich bin was ganz besonderes. Und zwar für MEINEN FREUND! Und im übrigen auch noch für etliche andere Personen Und jetzt bleibe ich so lange hier stehen bis MEIN Freund wieder kommt und MICH in den Arm nimmt.” Sie knurrte mich an, gab mir einen von den Todesblicken, die ich ja inzwischen schon von so einigen Personen kannte. Aber sie schien immer noch nicht genug zu haben.
“Ich sage nur noch einmal, dass es nicht mehr lange dauern wird bis DU und ER sich trennen!”
“Und ich sage nur noch einmal, zerreiß dir besser nicht dein großes Fischmaul über MEINEN FREUND!”
“Du wirst ja sehen was du davon hast. Und Sara wird nicht locker lassen. Aber das weißt du ja schon. Wie du ja sowieso immer alles weißt!”
“Geh doch einfach mit deinen Zickenweibern spielen, Melly!”
“Ich fass es nicht, dass wir mal befreundet waren! Wie konnte ich nur. Alles was du mir angetan hast. Alles womit du mich gerade verletzt hast. All das werde ich dir noch heimzahlen. Du wirst schon noch merken wenn der Augenblick gekommen ist. Und dann wirst du alleine zuhause sitzen und heulen!”
“Die einzige die hier alleine heulen wird bist DU! Und zwar gleich, wenn du jetzt nicht verschwindest.”
“Bye bye, Julie.” flüsterte sie mir mit süffisantem Blick ins Ohr und zog ab.
Fast zeitgleich kamen sofort dannach Tyler und Benni. Nur mit dem Unterschied, dass Tyler angerannt kam und und Benni gechillt wie immer dazu geschlendert kam.
“Was war das? Du hast dich mit Melly angelegt?”
“Hey, Julie.” sagte Benjamin, fröhlich wie immer.
“Hey, Leute! Ja, Ty. Das habe ich wohl!”
“Um was gehts?” fragte er so ganz neben bei.
“Nichts. Hey, Julie. Das kannst du nicht machen. Sie war mal eine von uns! Und. Naja. Irgendwie gehört sie doch noch dazu.”
“Nein! DU hast es nicht richtig mitbekommen, Tyler. SIE hat MICH angegriffen. Nicht andersherum, ja?!
“Worum geht es?” fragte Benni erneut, doch ich schenkte ihm keinerlei Beachtung.
“Sie hat sich verändert, Ty!”
“Aber es ist doch immer noch Melly.”
“Ja. Aber eine Melly, die lieber mit Sara gegen mich antritt!”
“Sie weiß nicht auf welche Seite sie sich da begibt!”
“Und Sara weiß es auch nicht!”
“Ach, es geht wieder um euren Zickenkrieg?” murmelte Benni und legte mir ganz beiläufig den Arm um die Schulter.
“NEIN! Es ist mehr als nur das, Benjamin!”
“Ok, ok. Ich halt mich da raus, Liebling.” Benni war immer noch ganz ruhig und trat leicht gelangweilt gegen einen Stein.
“Julie. Ich helfe dir!”
“Das hatte ich erwartet.” murmelte ich und kam mir plötzlich vor wie in einem schlechten Kriegsfilm.

Die zweite Pause verlief nicht angenehmer, ging aber doch deutlich schneller vorrüber. Die ersten zehn Minuten verbrachten Benni, Tyler und ich auf einer Bank und quatschten. Es war schon irgendwie kompliziert sich jetzt teilen zu müssen um für BEIDE da zu sein.
“Sara kommt.”
“Nein! Verdammt.”
Benjamin, Tyler und ich sahen uns um und ich entdeckte Sara und ihre Zickenweiber, wie sie in einer Reihe (Sara in der Mitte und ein Stückchen weiter vorne als die anderen) auf uns zu kamen. Wieder alles wie in einem Film. Würden Sara und die anderen jetzt noch in Zeitlupe gehen und etwas Staub um sie herum aufwirbeln, dann würde ich die Szene hier doch glatt mit einem sehr billigen Western vergleichen (Ich vergleiche mein Leben immer mit Filmen, dumme Angewohnheit).
“Hallo, Benni.” Na, sag mal! Hörte ich dieses wiederliche, aufgeblasene Miststück da etwa MEINEN Benni anflirten. Und außerdem war ich ja waohl die einzige, die ihn so nennen durfte. Nämlich Benni! Außer vielleicht Tyler. Denn der konnte ich ja vertrauen. Sachen gibt’s.
“Hallo, Sara!” Ich war die jenige, die antwortete.
“Julie, Tyler? Was macht ihr denn hier?”
“Oh. Wir sind hier rein zufällig vorbeigekommen und haben uns gedacht, dass wir euch nur mal ein bisschen nerven!” murmelete Ty und schaute gespielt in den Himmel als, wenn es dort oben Wichtigeres gäbe.
“Ja, dann!” Sie war nicht ohne Grund so gespielt freundlich. Vor Benni konnte sie mich ja schlecht runter machen. Der blickte nämlich gar nicht so richtig durch die Sache durch.
“Also, dann. Benni? Hättest du vielleicht Lust morgen mit mir essen zu gehen. Im Versailles? Das ist eines der vornehmsten Restaurants der Stadt und mein Dad ist da Stammkunde. Was hälst du davon?” Also jetzt ging sie aber wirklich zu weit. Sie konnte mir doch nicht vor meinen Augen den Freund ausspannen!
“Du spinnst ja wohl!”, rief ich und schubste sie in die Zickenweiber-Meute hinter ihr.
“Als der Herr euch schuf war ihm wohl gerade die letzte Portion Hirn ausgegangen! Ihr seid einfach nur Witzfiguren für mich. Benjamin ist MEIN Freund! Und ICH liebe ihn. Und keine von euch und erst recht nicht du, Sara. Nur ICH liebe ihn! Und außerdem wollten wir morgen ins Horizen gehen und Sushi essen!”
Sara funkelte mich an. Aber Benni stand voll und ganz hinter mir.
“Wirklich? Ich liebe Sushi, mein Schatz.” Mehr fiel ihm dazu zwar nicht ein, aber das war ja schon mal ein Anfang.
“Wow, Julie! Ein Liebesbeweis vor so großem Publikum! Gratuliere!” sagte Sara mit einer unüberhörbaren Ironie in der Stimme.
“Tja. Das ist es was DU niemals von irgendeinem Jungen bekommen wirst, Sara! Und außerdem: Nur ich darf ihn Benni nennen! Merk es dir.”
Mit diesen Worten zog ich mit Benni und Ty, die mich ununterbrochen lobte, im Schlepptau ab und ging zur nächsten Unterrichtsstunde.

7. Kapitel

Samstag! Ja. Seit ich mit Benni zusammengekommen war, waren schon fast zwei Wochen vergangen. Morgen hatten wir also Jubiläum! Schön! Ich hatte ihn jeden Tag gesehen. Jeden Tag geküsst. Einfach nur ein wunderbares Gefühl! Und von Sara hatte ich auch nichts mehr gesehn außer den gewöhnlichen Stirb-Schlampe-Stirb-Blicken. Aber jetzt war ich zusammen mit Tyler in der Stadt und suchte nach einem passenden Geschenk für Benjamin! Er hatte schließlich schon Montag Geburtstag.
“Was hat er denn eigentlich gesagt, was er sich wünscht?” fragte Tyler und blieb am Schaufenster eines Schuhhgeschäftes stehen. Schuhe! Nicht schon wieder.
“Jedenfalls keine Schuhe, Ty.”, murmelte ich und zog sie weiter.
“Hallo? Ich dachte wir gehen shoppen?”
“Ja. Tun wir ja auch. Aber ich muss mir jetzt wirklich überlegen, was ich ihm schenken soll!”
“Ist das mein Problem?”
Ich starrte sie entsetzt an.
“Jaja. Schon gut. Es ist auch mein Problem.”
“Also schalt dein Gehirn an.”
“Ja. Ich denk ja schon nach. Wie wäre es denn mit einem Parfüm?”
“Parfüm?”
“Genau. Da gibt es diesen wunderbaren neuen Duft von Jean Paul Gaultier namens Le Male!”
“Seit wann kennst du dich denn so mit Männerparfümen aus?”
“Keine Ahnung. Mir war letztens langweilig und da habe ich einfach ein bisschen in der Parfümerie rumgelungert.”
“Na dann.”
“Oder wie wäre es mit einem riesigen Schokoherz und roten Rosen?”
“Nein. Mein Gott, wie kitschig!”
“Na gut. Ein Armband vielleicht? Eines was ihr beide tragt?”
“Klingt schon besser. Schauen wir mal, ob wir eins finden.”
“Besser noch zwei!”
“Stimmt.”
Wir gingen in fast jeden Laden und bis wir endlich irgendwann zwei Armbänder gefunden hatten, hatte ich schon fast aufgegeben. Es war zum Haare raufen. Diese beiden läppischen Armbänder kosteteten ganze 25 Dollar. Ich war fast pleite! Und alles nur wegen Mr. K! Diesem dummen, fetten Kater!
Es war eine endlose Shoppingtour, die Tyler 400 Dollar gekostet hatte, weil sie sich unbedingt die neusten Pumps von ‘Frye’ haben wollte. Sie hießen Mandy! Wie konnte man bitte Designerschuhe Mandy nennen? Dazu noch ein Paar Sneakers für 199,90 von ‘True Religion’. Das war ja kaum was. Wenn ICH mit Schuhen für einen solchen Preis ankommen würde, dann wäre ich wohl die längste Zeit Tochter meiner Mutter gewesen! Echt! 400 Dollar? Aber bei Tyler war das was anderes. Sie kannte nichts anderes als Designerklamotten. Ihre Eltern arbeiteten in der Modebrange. Ihre Mutter hatte eine Zeit lang als Model gearbeitet. Nun war sie Designerin und ihr Vater besaß eine Modelagentur und eine Kleidungsmarke. Keine Bekannte allerdings. Außerdem gehörte ihnen eine Villa und sie verwöhnten ihre vier Töchter wo es nur ging. Warscheinlich hatten sie ein schlechtes Gewissen, weil sie kaum Zeit für ihre Kinder hatten und diese im Prinzip nur mit Mutterersatz aufgewachsen waren. Aber trotzdem liebte Tyler ihre Eltern. Vielleicht auch gerade deswegen. Sie hatte schon so viel von der Welt durch ihre Eltern gesehen. Denn wenn Ferien waren oder ein langes Wochenende bevorstand, fuhren Mr und Mrs Newton immer weg. Mal nach Europa. Mal nach Australien. Letztens war eine große Modemesse in Peking gewesen. Wer war da? Tyler!
“Wir haben heute sturmfrei! Willst du was trinken?” fragte ich und stellte meine Tasche ab. Tyler durfte heute bei mir übernachten. Super! Darauf hatte ich mich schon die ganze Woche lang gefreut.
“Cool. Ja, klar! Cola, bitte!” rief sie mir in die Küche hinterher und ich beobachtete aus der Küche, wie sie sofort die neuen Schuhe auspackte und anprobierte.
“Na? Wie sehe ich aus?”
“Einzigartig, Ty!” sagte ich und sie strahlte über ihr ganzes süßes schoko-braunes Gesicht! Ja. Tyler war farbig. Aber das hatte für mich nie irgendeine Bedeutung gehabt. Sie war und ist und bleibt meine allerbeste Freundin. Egal ob ihre Uroma nun aus einem Indianerdorf bei Peru kam oder ihre andere aus Afrika. Sie war Tyler! Und sie war dunkelhäutig! Und sie war meine Freundin! Und sie hatte so tolle braune Lockenhaare. So wie alle in ihrer Familie. Nur, dass sie ihre Haare meistens offen trug und ein paar Strähnchen blondiert hatte. Außerdem war ein Teil ihrer Haare immer geflochten.
“Was machen wir die Nacht über?”
“Ja, also ich hab mal ein paar Filme ausgeliehen. American Pie Teil 1 und 2, Fluch der Karibik, alle drei Teile, Scary Movie 1, 2, 3 und dann habe ich glaube ich noch ein paar Harry Potter Filme. Und die ganze erste Staffel von Emergency Room.”
“Also, das klingt wirklich gut!”
“Finde ich auch. Für Chips und Gummibärchen ist auch schon vorgesorgt!”
“Lass mal Fluch der Karibik als erstes schauen.” murmelte Ty, nachdem sie ihr Glas fast in einem Zug geleert hatte.
Dann gingen wir hoch in mein Zimmer und schauten als erstes alle drei Fluch der Karibik Filme und dannach noch einen endlos langen Horrorfilm. Während ein Mörder gerade seinen Opfern die Fingernägel abriss und ihnen Gedärme herausoperierte und die blutenden Dinger wie am Spieß schrien, schlief ich ein. Wiedereinmal träumte ich von Benjamin. Aber es war kein so schöner Traum. Benni nahm Drogen in meinem Traum und ich sah ihm dabei zu, ohne ihn davon abzuhalten. Als er dann irgendwann total bekifft war, kam auch noch Sara. Sie und ich waren wie alte Freundinnen. Merkwürdig. Sie umarmte mich zur Begrüßung, als wäre alles ganz normal und dann wandte sie sich an Benjamin und küsste ihn. Ich unternahm immer noch nichts. Irgendwann war Sara dann mal fertig und sie und Benni, der gar nichts mehr mitbekam, gingen in die endlose Dunkelheit! Dann wurde es hell und weiß um mich herum. Dann rot! Und nass! Ich sah überall Blut. Und dann tauchte Benni vor mir auf. Er lag am Boden mitten in der endlosen Nacht! Es war so dunkel. Ich kniete mich neben ihn und als ich merkte, dass er tot war und, dass das Blut von ihm kam, schrie ich.
“Was ist los, Julie?”
“Was?”
Tyler hatte sich über mich gebäugt und sah mich besorgt an. Ich war wach. Gottsei Dank. Es war nur ein Traum.
“Du hast geschrien im Schlaf! Immer wieder. Irgendetwas wie: Mein Benni! Lass ihn hier! Du kannst ihn mir nicht wegnehmen. Oder so was.”
“Oh mein Gott.”
“Naja. Jetzt bist du ja wach. Ich habe gerade ‘House of wax’ eingelegt.”
“Noch so einen Gruselfilm verkrafte ich, glaube ich, nicht, Ty.”
“Ok. Wir haben auch noch Harry Potter. Oder ist der auch zu schlimm für dich?” Sie grinste.
“Haha. Ich glaube, der geht schon!” Ich stand auf und sah auf die Uhr. Fünf Uhr morgens. Na toll!
“Warst du die ganze Zeit wach, Ty?”
“Nö. Bis vor einer Stunde habe ich auch noch geschlafen, aber der Fernseher war so laut und außerdem hast du geschnarcht!” Wieder grinste sie mich frech an. “Jaja. Immer sind die anderen Schuld, was?”
“Na, klar!”
“Du?”, fragte ich zögerlich.
“Mh?”
“Was machst du heute noch so?”
“Ich muss beim renovieren helfen. Jess baut ihr Zimmer nämlich um!”
“Ahso.”
“Und du?”
“Ich werde wohl mal bei Benni vorbeischauen. Wir haben heute zwei-wöchiges Jubiläum.”
“Viel Spaß!”
“Danke.”
“Hast du schon ein Geschenk?” fragte Tyler, während sie den dritten Harry Potter Film einlegte.
“Geschenk?”
“Ja. Jubiläum? Geschenk?”
“Bei zwei Wochen?”
“Ok, ok.”
“Vielleicht ja mal in fünf Jahren.”
“Na, du musst es ja nicht gleich übertreiben.”
“Ich weiß nicht! Meinst du ich sollte ihm ein Geschenk besorgen?”
“Süße, es ist Sonntag! Willst du ihm etwa ein Playboy-Magazin bei der Tankstelle holen, oder was?”
“Och, menno!”
“Da sagst du mal was! Aber mach dir keine Gedanken. Die Jungen vergessen sowas eh meistens.”
“Wenn du meinst.”, murmelte ich und ließ mich zurück in mein Kissen sinken.

8. Kapitel

“Hallo, Schatz. Komm rein, ich hab was für dich.” Benjamin küsste mich und half mir aus der Jacke.
“Öhm…Warum?”
“Weil wir jetzt zwei Wochen zusammen sind!”
“Oh mein Gott. Gottverdammte Scheiße. Verdammt. Mist!”
“Was hab ich denn jetzt Falsches gesagt?”
“Nichts.”
“Du hast es vergessen!”
“Nein. Niemals. Quatsch. So ein Blödsinn.”
“Du hast!”
“Wirklich nicht. Ich hatte mir nur gedacht, dass zwei Wochen…”
“… nichts sind!”
“So was in der Art.”, sagte ich und starrte auf dem Boden.
“Hier.” Er reichte mir eine blaue kleine Schachtel. Vorsichtig öffnete ich sie und sah eine schöne silberne Kette mit einem Herzchen daran.
“Oh, nein! Wie süß! Ich liebe dich.”
“Ich dich doch auch. Soll ich sie dir umbinden?”
“Au ja.” rief ich. Und wollte ihm grade die Kette reichen, als sie mir aus der Hand fiel.
“Scheiße.”, murmelte ich. Wiedereinmal lachte er. Und schon wieder verstand ich den Grund nicht, aber es war mir egal. Denn nun hatte ich das erste Geschenk von meinem ersten Freund an meinem Körper. Es war ein tolles Gefühl. Und diese Kette war so schön. Es war ein kleiner Schmetterlingsanhänger in dem ein “J” und ein “B” nebeneinander “saßen”.
“Sie ist einfach der Hammer! Ich liebe dich!” jubelte ich und umarmte mich. Er küsste mich in den Nacken und dann auf den Mund. Es war toll. Ich wusste, ich liebte ihn wirklich. Sehr. Es war ja so ein tolles Gefühl endlich einen Freund zu haben. Und dann noch so einen Süßen!
“Ich dich auch.” flüsterte er mir liebevoll ins Ohr. Ich schmiss ihn auf sein Bett und kuschelte mich an ihn. Er roch ja sowas von verführerisch. Mmmmhhhhh. Toll. Was er wohl für ein Parfüm benutzte? Vielleicht “Code Homme” von Giorgio Armani? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich seinen Duft wie eine Droge liebte.
“Du riechst ja andauernd an mir! Rieche ich denn so gut?”
“Unglaublich gut!” murmelte ich zur Antwort in seinen Pulli. Er kraulte mich am Hinterkopf und schnupperte dann daran.
“Du riechst noch tausendmal besser, Schatz! Ganz bestimmt.” Er atmete tief ein und kicherte dann leise in sich hinein. “Julie?”
“Mh?”
“Kaum zu glauben, dass wir jetzt schon ganze zwei Wochen zusammen sind, oder?”
“Echt? Mir kam es gar nicht so lange vor. Die Tage mit dir sind für mich immer alle wie der erste Tag. Es ist einfach wunderbar, wenn da nicht…”
Sollte ich ihm wirklich etwas von unserem Zickenkrieg anvertrauen? Sollte ich ihm sagen, dass ich, nur ich, die Glückliche an der Schule war, die mit ihm zusammen sein durfte? Sollte ich ihm anvertrauen, dass er von allen Mädchen der gesamten Schule als das Sexappeal überhaupt angehimmelt wurde?
Sollte ich ihm erklären, dass Melly auf ihn steht? Dass Sara auf ihn steht? Das alle Mädchen und Frauen und Kleinkinder-Grundschul-Girlies sich nach ihm umdrehten, wenn er irgendwo langging? Sollte ich ihm das alles erzählen? Oder war es vielleicht auch alles nur Einbildung? Ich wusste nicht mehr weiter, doch da wurde ich auch schon von der schönsten Stimme der Welt aus den Gedanken gerissen:
“Liebling? Wenn da nicht…was?”
“Öhm…wenn da nicht…ganz viele leckere Schokokuchen wären, die ich jetzt gerne essen würde!” Schokokuchen?! Ich hatte sie wohl nicht mehr alle. Und so schaute er mich auch an! Als hätte ich sie nicht mehr alle. Peinlich! Aber ich musste grade wirklich an Schokokuchen denken. Daran konnte ich nun einmal nichts ändern.
“Schokokuchen?” fragte er verständnislos.
“Ja…da sind die ganze Zeit ganz viele leckere Schokokuchen, die meine Gedankengänge blockieren!”
“Joar…gut.”
Er war zum ersten Mal, seit ich ihn kennengelernt hatte, verwirrt. Der Ärmste.
“Dann kaufen wir dir jetzt mal Schokokuchen!” murmelte er und stand auf.
“Hä?”
“Komm.” Er zog mich von seinem Bett runter und nahm mich in den Arm um mich dann runter und nach draußen zu buchsieren. An einer nahegelegenen Bäckerei angekommen, fanden wir was wir suchten und aßen mit höchstzufriedenen Mienen und Händchen haltend unsere kleinen Schokokuchen (Man nannte sie auch Brownies!).

“Und, was habt ihr gestern so schönes gemacht? An eurem Jubiläum?” fragte Tyler und starrte mich mit ihrem breitesten Grinsen an.
“Oh man, Ty! Du bist manchmal echt … schräg!”
“Was du nicht sagst. Ist es dir peinlich oder was? Habt ihr … habt ihr ES getan?”
“Tyler! Nein!” Ich war empört. Wir konnte sie so etwas von mir denken?
“Ja, ‘tschuldigung. Ich dacht ja nur.”
“Wir haben gar nichts Besonderes gemacht. Nur Brownies gegessen, rumgeknutscht und so was eben.”
“Achso. Wie langweilig. Hat er dir nichts geschenkt?”
“Doch. Die Kette hier.” Ich hatte die Kette immer noch um. Ich nahm mir sogar vor sie niemals in meinem Leben abzunehmen.
“Wow. Die ist ja hübsch. Ich glaube er hat dich wirklich sehr gern.”
“Tyler, er liebt mich! Sag mal, warum kommt Sara gerade wieder zu uns? Und wo bleibt Benni? Chrmmmm.” Ich räusperte mich schnell, damit Ty bemerkte, dass Sara neben ihr stand und damit Sara nicht bemerkte, dass wir so eben über sie geredet hatten.
“Hallo, Miststück.” murmelte Sara.
“Hi auch!” zischte ich zurück und guckte mich um. Wenn irgend ein Lehrer in der Nähe war konnte ich ihr ja schlecht eine reinhauen. Das musste ich aber, weil sie mich geohrfeigt hatte und einfach nur weil sie eine hinterhältige Ziege war. Gleichzeitig machte ich mir auch so meine Gedanken über Benni. Wo er wohl war? Doch die blöde Ziege riss mich sofort aus den Gedanken.
“Na? Hat dich dein Benni etwa vergessen? Vielleicht macht er ja auch grade mit einer anderen rum? Mh?”
“Halt die Klappe.” Das war Tyler. Obwohl ich fast zeitgleich genau das selbe hatte sagen wollen.
“Was mischt du dich da überhaupt ein? Du hast doch hier noch nicht mal eine Statistenrolle! Eigentlich wundert es mich, dass du schon wieder in meinem Blickfeld bist. So so ein Ding wie du ist doch alle Male unter meinem Niveau!” Ich wollte Sara in diesem Augenblick am liebsten zu Tode prügeln, aber ich konterte erst verbal, was ja eindeutig mehr meine Stärke war!
“Und du? Was ist mit dir? Ich würde einfach mal tippen, dass du eifersüchtig bist! Weil Tyler einfach nur Freunde hat und hübsch ist. Ganz im Gegensatz zu dir, mein Täubchen! Aber was solls. Ich frage mich doch auch, warum DU überhaupt auf diesem Planeten existierst! Gute Frage oder? So etwas wie du sollte doch für verboten gehören! Aber, ich geb mich auch nicht mit Leuten ab, über deren Niveau gerade eine Kellerwohnung frei geworden ist!” Ich lachte. Es war ein sehr freies, wenn auch leicht hysterisches Lachen. Ich hatte Angst! Angst eine reingehauen zu bekommen. Angst mich prügeln zu müssen. Angst meinen Freund an Sara zu verlieren. Angst um Tyler, wenn sie mir helfen wollte und dafür alles abbekam.
“Du bist echt das letzte. Und bis du mal cool wirst, hat mein kleiner Bruder die Weltherrschaft ergriffen!”
“Ach wirklich? Dann ist dein Bruder …” Weiter kam ich nicht, denn in diesem Moment wurde ich von hinten auf Sara geschubst. Ich drehte mich um und erblickte Melly und die anderen Gifthexen. Tyler sah mich fragend an.
“Und was nun, Julie? Da kann dir deine Negerfreundin jetzt auch nicht mehr helfen.” Sie lachte. Und zum aller ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, dass meine ehemalige beste Freundin Melly ein böses Lachen hatte. Es war der reinste Alptraum. Tyler konnte mir nicht helfen. Sie war fast den Tränen nahe, hatte ich das Gefühl. Wir wurden von ca. 20 Mädels aus Saras Zickentruppe umringt. Es war schlicht und ergreifend aussichtslos.
“Was willst du, Sara? Meinen Freund? Nein! Den bekommst du nicht. Er gehört mir. Und er liebt mich. Und er wird immer zu mir halten? Und was willst du, Melly? Freunde? Richtige Freunde, so wie wir einmal welche waren?” Ich versuchte es mich dem guten alten “Psycho-Doc-Trick”. Aber sie fielen nicht drauf rein. Melly spuckte mich an und schubste dann Tyler aus dem Kreis. Sie bemühte sich wieder zu mir zu kommen, aber die anderen hielten sie davon ab. Ich richtete meinen Blick wieder auf Sara. Dort blieb er.
“Was?”, schnautzte sie mich an. Doch ehe ich antworten konnte spürte ich ihren Fuß hart gegen mein Schienbein schmettern. Ich jaulte auf und stürzte mich auf sie. Meine Gedanken waren wild. Nichts und niemand würde mich nun noch davon abbringen können ihr die Kehle zu zerfleischen und ihr dannach das eiskalte Steinherz herauszureißen.
Ich riss mit aller Gewalt an ihrem Goldblonden Haaren und drückte sei gleichzeitig auf den Boden. Sie wehrte sich jedoch mit einigen Schlägen in mein Gesicht, über deren Spuren ich mir jetzt schon Gedanken machte. Meine Schläfen begann zu pochen. Wieder und wieder sah ich ihre Faust von unten auf mein Gesicht zurasen. Immer wieder schrie ich auf und kratze sie gleichzeitig. Nun spürte ich einen kleinen Rinnsal an meinem Auge vorbei laufen und schmeckte Blut in meinem Mund. Ich nahm all meine Kraft zusammen und schlug ihr derbe in die Magengegend. Sie keuchte und drehte drehte sich weg. Jetzt war ich die jenige, die die Schläge verteilte. Bis sie mir in den Unterarm biss und mich von sich herunterschubste. Ich wurde gegen eine Wand geschleudert und spürte sofort einen stechenden Schmerz im Rücken. Es war ein Gefühl als wenn einem alle Knochen gebrochen werden würden. Ich besah mir zuerst den Schaden den ich bei ihr angerichtet hatte und dann den, den sie bei mir angerichtet hatte. Ich hatte ihr buchstäblich die Birne weich geprügelt. Sie hatte ein blaues Auge und ein Teil ihres Ohrläppchensfehlte. Langsam öffnete ich meine Hand. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich ihr einen Ohrring herausgerissen hatte. Doch nun sah ich die kleine Blutbeschmierte silberne Creole in meiner Hand. Ich grinste und sah auf. Leider genau im falschen Moment. Denn gerade raste Saras Fuß mitten auf mein Gesicht zu. Alles wurde schwarz.

9. Kapitel

“Süße.”, hörte ich Tylers Stimme neben meinem Ohr. “Sie wird wieder. Guck, sie kann sogar schon wieder die Augen öffnen.”
“Was ist los?”, murmelte ich schlaftrunken und fühlte wie es in meinem ganzen Kopf hämmerte.
“Du wurdest verprügelt.” Wieder war es Tyler die mir antwortete. Ich versuchte langsam die Augen zu öffnen. Es klappte nicht. Beide waren so zugeschwollen, dass ein Blick auf die Leute um mich herum fast unmöglich schien.
“Schatz? Wie geht es dir?” Benni. Oh, ich freute mich ja so riesig seine Stimme zu hören. Doch als ich antworten wollte hörte ich wieder Ty.
“Sei ruhig, Benjamin! Du bist das allerletzte was sie jetzt gebrauchen kann. Hallo? Deine Freundin wurde verprügelt und du bist weg! Finde den Fehler! Mein Gott. Ich fasse es nicht. Sieh sie dir doch an!”
“Was? Nein! Benni bleib hier.”, sagte ich verzweifelt und versuchte erneut die Augen zu öffnen. Diesmal gelang es mir. Ich bekam sie einem Spalt weit auf und konnte den Sanitätsraum unserer Schule ausmachen. Neben mir hockte Tyler auf der Liege, auf die ich irgendwie, während meiner Bewusstlosigkeit, gelangt war. Dies war das erste Mal in meiner Schullaufbahn, dass ich einen Sanitätsraum betrat bzw. in einen Sanitätsraum getragen wurde. Wow!
“Ja, Schatz. Ich bin ja da.” Benni saß neben der Liege auf einem Stuhl und hielt meine Hand. Das konnte ich zwar nicht sehen, aber dafür spüren, was umso schöner war.
“Julie! Er hat dich übelst im Stich gelassen. Hast du das vergessen?”, fragte Tyler empört und ich konnte ihr das wirklich nicht verübeln.
“Es tut mir Leid, Julie. Ich war bei den Jungs aus der Parallelklasse und …”
“Spar dir deine Ausreden, Benni!”
“Was denn? Ich muss ihr das doch sagen und außerdem …”
“Leute! Haltet den Rand. Ich hab’s doch überlebt. Also was soll’s!”, rief ich dazwischen.
“Was soll’s? Das war unverantwortlich von deinem netten Herrn Freund!” Tyler durchbohrte erst mich Benni und dann mich mit einem ihrer Hypnose-Blicke.
“Na und?” murmelte ich und setzte mich auf. Tyler blickte mich nun unfreiwillig an. So in etwa als wäre ich eine Geisteskranke. Dann umarmte ich beide.
“Wo ist der nächste Spiegel? Ich muss wissen was diese Hühner mit mir angestellt haben!” Ich konnte sogar wieder grinsen. So fühlte es sich zumindestens an. Wie ein Grinsen. Mit diesem Grinsen folgte ich den beiden zum nächsten Spiegel. Dort verschwand es dann ganz schnell (das G) und ich stöhnte laut auf. Etwas Besseres fiel mir nicht ein. Ich war entstellt. Tyler wusste sofort was mein Problem war.
“Ich weiß wie du dich fühlst, Süße. Du denkst jetzt ‘Oh nein. So kann ich doch nicht in der Öffentlichkeit rumrennen’ und, dass du jetzt verdammt verunstaltet bist und warscheinlich denkst du jetzt auch, dass ich dich gleich aufzumuntern versuche und sage, dass du immernoch eine Schönheitsqueen bist. Aber diesmal muss ich dich leider enttäuschen.” Sie machte eine theatralische Pause und holte Luft. “Du bist wirklich verunstaltet und ich hätte dich wohl kaum wieder erkannt wenn du nicht die selben alten Sneakers vom Frühling wie meine beste Freundin getragen hättest.” Sie grinste und ich streckte ihr die Zunge raus. Dann wagte ich noch einen Blick in mein grausames Spiegelbild. “Oh mein Gott.” Das war das einzige was mir dazu noch einfiel. Ich drehte mich schnell wieder zu Benni und Ty um.
“Ach, so schlimm ist es nicht, mein Engel.” Benni war ja so süß, wenn man ihm ansah, dass er log. Uijuijuijuijui!
“Danke, Leute. Ich hab euch auch lieb!”, sagte ich schmunzelnd und hakte mich bei beiden ein um in Richtung grausame nächste Unterrichtsstunde loszustapfen.

“Und dann hat sie mir ins Gesicht geschlagen und ich hab ihr irgendwie einen Ohrring rausgerissen und ihr ist das halbe Ohr abgefallen und dann bin ich weg gewesen.”
“Mein Gott.”, murmelte meine Mutter nur als ich ihr die heutigen Geschehnisse erläuterte. Ich stopfte mir den Mund mit Kartoffelsalat voll. Kauen tat weh. Ich hatte das Gefühl, dass mein ganzer Kopf angeschwollen war. Eigentlich mein ganzer Körper. Denn jede Bewegung tat weh. Selbst wenn ich mich kratzen wollte tat das weh. Furchtbar. Warum lag ich eigentlich noch nicht im Krankenhaus. Doch Josh riss mich aus den Gedanken:
“Julie, warum sieht dein Gesicht jetzt so scheiße aus?” Ich hasse ihn. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn!
“Weil es eben so ist.”, maulte ich und unterdrückte die aufkochende Wut auf meinen Bruder.
“Josh, geh bitte auf dein Zimmer!” sagte meine Mutter nun nachdrücklich. Josh verschwand mit einem beleidigten Gesichtsausdruck. Dabei war ich doch die jenige, die hier beleidigt sein müsste. Oder?
“Soll ich mal mit dem Direktor reden?” fragte meine Mutter viel zu beiläufig und begann die Küchenfenster zu putzen.
“Nein!”
“Warum nicht, Julie? Er könnte diesem Mädchen deutlich machen, dass das so nicht geht.”
“Mum! Er hat sicherlich eh schon Wind von der Geschichte bekommen. Also wird er wohl Montag mit uns reden wollen. Wahrscheinlich wird das wie so ein Verhör und dann erzählt Sara sowieso nur Schrott und dann würde ich aber Zeugen haben und Benni und Ty würden…”
“Schatz. Du hast zu viel Fantasie. Wir warten einfach ab, was euer Direktor unternimmt und dann sehen wir weiter. Ist das in Ordnung für dich?”
Ich brummte vor mich hin und aß den Kartoffelsalat auf. Warum musste eigentlich immer mir so etwas passieren. Warscheinlich, weil ich es darauf anlegte und weil ich Sara hasste. Mehr als sie mich jemals in ihrem Leben hassen könnte. Es war vermutlich ein angestauter Hass. Über all die Jahre hinweg hatte ich mich nie groß zur Wehr gesetzt, wenn sie mich angegriffen hatte. Und auch wenn sie andere mit ihrem Zicken-Scham überhäufte, der niemandem gut tat, bin ich immer wutentbrannt darüber hinweggegangen. Aber was zu weit ging, ging zu weit. Und mit Benni war sie eindeutig viel zu weit gegangen. Diese blöde Schlampe! Diese miese kleine Bitch! Das war sie wirklich. Sie zeigte allen Jungen offen ihren unwiderstehlichen, unglaublich schleimigen und miesen Charm und allen Mädchen zeigte sie ebenfalls sehr offen ihre wiederliche, schlampige, häßliche Seite. Das schlimme war, dass die Jungen sie nicht durchschauten, oder duchschauen wollten und die Mädchen sich nicht trauten sich dagegen zu wehren, schließlich hatte sie (merkwürdigerweise) auch noch ihre Zickenweiber auf ihrer Seite. Höchst unglaubwürdig. Sara hat Freundinnen! Sehr unglaubwürdig, doch leider wahr. Bitter! Sehr bitter.
Ich verabscheute sie noch mehr. Es würde immer mehr werden, wenn ich dieser Schlange und ihrem unglaublich ekelhaften Getue nicht ein Ende setzte. Ich musste härter eingreifen. Ich musste sie an einer schwachen Stelle treffen. Jeder Mensch hatte eine davon. Und da musste ich sie erwischen und zwar wenn sie allein war. Wenn ihr nichts und niemand helfen konnte. Wenn keiner eingreifen könnte oder wollte. Ein Zeitpunkt an dem sie sowieso schon sehr weit oben auf der Verletzlichkeits-Skala war. Und dannach würde sie bitter weinen und noch einsamer sein. Sie würde zu mir kriechen und um Vergebung bitten und dann … Ich merkte allmählich, dass meine Fantasie wirklich mit mir duchging.
Inzwischen saß ich in meinem Zimmer und schaute aus dem Fenster. Einsam und allein. So würde ich irgendwann werden wenn ich nichts unternahm. Ich war mir nämlich sicher, dass sie kurz davor war Benni für sich zu gewinnen. Und ich wusste, dass er ihrem Scham nicht widerstehen könnte. Auch wenn ich daneben stand. Ich konnte mir schon lebhaft vorstellen, wie sie gerade einen Plan schmiedete um mich zu erledigen. Genau wie ich im Prinzip. Ich schmiedete ebenfalls einen Plan. Aber mir fiel nur sinnloser Blödsinn zum Thema “Erlösung von Sara” ein.
Ich gab es auf und viel ins Bett. Gerade stellte ich mir vor wie ich über Sara stand und sie mit meinem Fuß zu Boden drückte, als das Telefon klingelte. Ich nahm ab. Es war Ty.
“Julie? Ich hab sehr sehr schlechte Neuigkeiten.”
“Oh nein. Ich bin doch schon ein Krüppel. Was kann es Schlimmeres geben, als ein Krüppel zu sein?”
“So einiges, meine Liebe.” Sie zögerte.
“Na was denn? Hau es raus!” Versuchte ich sie mit einem mulmigen Gefühl im Magen zu ermutigen.
“Es geht um Benni und um Sara bzw um Melly. Aber ich bin mir sicher, dass es dich umhauen wird.”
Ich würgte ein wenig und legte den Kopf in die Hände. Dann schloss ich die Augen und begann zu beten:
Lieber Vater im Himmel.
Bitte, bitte lass ihn Melly hassen.
Bitte, bitte lass ihn für immer und ewig und einzig und allein nur mich lieben.
Bitte, bitte mach, dass Ty mich verarscht.
Bitte, bitte …
“Julie?”
“Ich will es nicht hören. Sag mir, dass alles nur ein Joke ist und du mir jetzt gar nichts erzählen möchtest!”
“Mh…Es tut mir so leid. Ich -” Ich war so nervös, dass ich sie unterbrach.
“Haben sie sich geküsst. Hast du etwas beobachtet?”
“Naja. Ich bin hinter Melly nach hause gegangen. Sie hat mich aber nicht bemerkt. Sie hat telefoniert. Mit Benni. Sie hat mit ihm telefoniert! Auf dem Nachhauseweg! Ich wusste ja nicht wie ich es dir sagen sollte.”
“Er hat mit dieser miesen … er hat mit ihr telefoniert? Warum? Was hat sie, was ich nicht hab?”
“Gar nichts, Süße. Reg dich bitte bitte ab.”
“Diese …”
“Bitte.”
“Er hat nicht mit ihr telefoniert!”
“Doch leider. Komm, vielleicht gibt es eine ganz simple Erklärung dafür.”
“Ja, klar. Ich weiß sie schon. Er hat Melly warscheinlich nur nach einer guten Geschenkidee für meinen Geburtstag gefragt. Sie kennt mich ja so gut.”
“Das wird es sein!” sagte Ty weniger überzeugend.
“Natürlich!” schrie ich entnervt “Mein Geburtstag ist in 10 Monaten!”
“Ich weiß, Süße. Wie wäre es wenn wir Melly foltern und sie … mit heißem Wasser überschütten und dann mit kaltem und …”
Ich stöhnte und hätte bei der Vorstellung dieser Folterung fast gelacht, wenn der Grund nicht so bitter gewesen wäre.
“… dann wird sie es ausspucken. Ein Versuch ist es auf jeden Fall wert, Julie. Bist du dabei?”
“Ach Tyler. Was würde ich ohne dich und deine tollen Ideen machen?”
“Ich schätze mal du würdest verzweifelnd zuhause rumhocken und nicht wissen was du machen solltest. Oder?”
“Aber Ty! Was soll ich denn machen?”
“Schätzchen! Du bist eine selbstbewusste, unabhängige Frau! Unternimm etwas. Aber lass ihn nicht, unter keinen Umständen, aus den Augen! Melly wird es immer wieder und immer deutlicher versuchen und ich bin mir sehr sicher, dass dein Schnuckelchen nicht stark genug ist. Einem erneuten, richtig fetten Angriff wird er nicht stand halten können!”
“Tyler!” Ich jaulte auf. Was sollte denn noch alles passieren. Als erstes greift mich diese Furie von Sara an und verunstaltet mich und dann DAS!
“Baby? Ich muss jetzt auflegen. Sorry. Ich wollte nur, dass du es weißt. Mach sie alle fertig! Und verschone ihn nicht!”
“Bye, Süße. Danke nochmal.”
“Kein Problem. Bis dann.”
Ich hörte das Klicken und die Verbindung war unterbrochen.
Mir stiegen die Tränen in die Augen.
Nein, dachte ich mir. Er kann/soll/darf und wird dich nicht einfach so aufgeben, Julie!
Das sagte ich mir immer wieder, bis es fast glaubhaft wurde.
Ich beschloss einfach zu Benni zu gehen und ihn darauf anzusprechen. Wir hatten schließlich keine Geheimnisse voreinander.

10. Kapitel

Ich klingelte. Es dauerte eine ganze Weile bis mir Bennis Mutter öffnete. Sie schien erfreut darüber zu sein mich zu sehen. Warscheinlich wusste sie von alldem nichts. Sie konnte ja auch nicht wissen was ihr Sohn für ein hinterhältiger Schuft war. Er würde schließlich nicht nachhause gekommen sein und gesagt haben: “Hey, Mum. Ich hab heute meine Freundin mit einer häßlichen, blöden Kuh betrogen!”
Oder? Nein. Höchstwarscheinlich würde er sich das vor seiner Mutter sparen.
“Julie.” sagte diese freundlich wie immer zur Begrüßung. Sie begutachtete die Verletzungen von meinem kleinen “Fight” mit Sara und sagte dann:
“Möchtest du zu Benjamin? Er …” Doch ich ließ sie nicht ausreden. Ich stürmte an ihr vorbei nach oben in Bennis Zimmer.
“Benni!”
“Was gibt es, Schatz?”
Er schien zu meiner Verärgerung überhaupt nicht verwundert mich zu sein.
“Du!”
“Was liegt dir auf dem Herzen? Du bist irgendwie aufgeregt. Kann das sein?” Scheiße. Er machte einen auf Unschuldsengel.
“Ja!”
“Was ist?”
“Ich kann es einfach nicht fassen! Warum um alles in der Welt telefonierst du mit Melly? Warum? Hab ich dir nicht oft genug erzählt was sie für eine …”
“… hässliche, dumme, durchgeknallte Schlampe ist? Ja. Du hast.” Er lächelte immer noch.
“Aber warum?”
“Ich habe nicht mit ihr telefoniert.”
“Wohl!”
“Nein, Julie. Wer behauptet …”
“Tyler. Sie hat Melly beobachtet. Warum erzählst du mir nicht einfach die Wahrheit?”
“Welche?”
Hatte ich vorhin mal gesagt, dass wir nie Geheimnisse voreinander hatten. Streichen wir das! Arschloch!
“Du. Hast. Mit. Ihr. Telefoniert. Warum?”
“Habe. Ich. Nicht.”
“Benni!”
“Was? Willst du mir nicht erst einmal einen Begrüssungskuss geben?”
“Du bist echt ein Arschloch! Ein einziges, blödes, dummes, feiges ARSCHLOCH!” Mit diesen Worten und dem Blick den Benni mir geschenkt hatte, als ich das gesagt hatte (Eine Mischung aus Verzweiflung und einem großen Fragezeichen), vor Augen stürmte ich aus dem Zimmer.
Entgegen meiner Erwartungen kam er nicht hinter mir hergerannt und versuchte alles zu erklären. Er rief mich noch nicht einmal zurück. Ich wäre zwar nicht wieder gekommen, aber er versuchte es ja noch nicht einmal. Dreistes Arschloch. Ich war wirklich sauer auf ihn. Was für eine Krise!

Ich lag zuhause auf meinem Bett und heulte mir die Augen aus dem Kopf. Es war furchtbar. Und es tat so weh. Tatsächlich fühlte es sich so an als ob ein Stück meines Herzens fehlen würde.
Da klingelte das Telefon. Ich schreckte auf und schaute es betont böse an. Als wäre es Benni. Doch es klingelte weiter und ließ sich von meinen tödlichen Blicken nicht beirren. Wenn es Benni war wollte ich nicht drangehen. Ich hatte wirklich keine Lust mir seine erfundenen Ausreden anzuhören. Aber … vielleicht war es wirklich Benni und er wollte sich entschuldigen. Schlagartig änderten sich meine Gefühle. Mein Herz pochte. Ich wischte mir die Tränen weg. Unnötigerweise, was mir aber erst bei einem Blick auf den frischen schwarzen Fleck an meinem Hemdsärmel auffiel.
Dann hob ich ab.
“Benni! Es tut mir …” Ich hielt inne. Mir war schließlich schonmal so eine “Telefonpanne” passiert.
“Julie?”
Es war Tyler. Ich hatte keine Lust mit ihr zu reden. Ich war enttäuscht. Warum rief Benni denn nicht an.
“Julie?”
“Was?”
“Weinst du? Was ist los, Süße?”
“Ach, alles ist scheiße!” Mehr fiel mir auch nicht ein. Sollte ich ihr alles erzählen? Als hätte sie nicht schon genug um die Ohren. Und außerdem interessierten sie meine andauernden Probleme? Und vorallem Benni? Ich hatte ihr schon zu oft die Ohren von ihm zugelabert. Während ich weiter nachdachte, hörte ich am anderen Ende der Leitung ein Seufzen.
“Julie? Ich muss dir was sagen.”
“Ach was? Schlimmer, als das was mir grade widerfahren ist, kann es nicht sein. Benni ist ein verlogenes Arschl …”
“Nein! Das ist er nicht.”
“Was?”
“Er ist kein verlogenes Arschloch! Das bin ich.”
“Was laberst du da? Du weißt doch gar nicht was er gemacht hat!”
“Nichts!”
“Moment mal. Langsam blicke ich nicht mehr durch!”
“Ich war es. Ich hab alles erfunden. Es tut mir leid. Ich wollte doch nur …”
“Das ist jetzt nicht dein Ernst! Oder?”
“Doch.” Ich hörte wie sie schluchtzte.
“Nein, Tyler! Warum erzählst du mir so etwas? Ich dachte wir wären Freundinnen!”
“Ich konnte doch nicht ahnen, dass du sofort zu ihm rennst.”
“Ach nein?” Ich schäumte vor Wut und Enttäuschung.
“Du warst in letzter Zeit nur noch mit ihm beschäftigt. Ich war doch nur ein kleiner Zeitvertreib nebenbei, wenn er mal nicht für dich da war, Julie!”
“Das glaub ich jetzt nicht!”
“Es tut mir so unendlich leid. Bitte, glaub mir, Julie, ich hab das wirklich nicht so gewollt.”
“Du bist das allerletzte. Weißt du das? Wenn nicht, dann weißt du es jetzt, du verlogene, egoistische, falsche Schlange! Du machst alles kaputt! Ich will dich nie nie wieder sehen.” Dabei war das unvermeidlich. Wir waren in der selben Klasse. Trotzdem! Mit diesen Worten hatte ich aufgelegt.
Ich wollte sie wirklich nie wieder sehen. So etwas! Ich war so wütend und traurig zugleich, dass mir sogar Mordgedanken durch den Kopf gingen, als ich tränenüberströmt auf mein Kissen einschlug.
Das Telefon klingelte erneut. Voller Wut riss ich das Kabel heraus und stieß einen Schrei aus.
Dann trat ich vor alles was mir weh tun konnte und was möglicherweise noch dabei kaputt ging. Ich riss alle Bilder von Tyler und mir und von Benni von der Wand und zerriss sie in tausend Teile.
Als ich zehn Minten später (Es kam mir vor als wären Stunden vergangen) so ziemlich alles was an Benni und Tyler erinnerte zerstört hatte, warf ich mich auf mein Bett und weinte. Dort lag ich eine Weile und ließ allen meinen Gefühlen freien Lauf.
Warum, dachte ich mir immer wieder. Warum müssen mich alle gleichzeitig verlassen? Ich nahm mir vor die Welt zu hassen. Und Gott! Ich nahm mir auch vor ab jetzt Buddah anzubeten, denn Gott hatte eindeutig bei mir verkackt!
Mit den Gedanken möglichst weit weg von Benni und Tyler, schlief ich ein.

Ein nächster, grauenvoller Tag ohne IHN begann. Ich wachte schon sehr füh auf. Es war halb sechs. Montag! Das Wochenende hatte ich wie eine Hülle ohne Inhalt verlebt. Ich war zu einem blassen, trauernden Geschöpf geworden. Meine Eltern hatten im Moment zu viel um die Ohren um sich um mich zu kümmern. Meine Mutter renovierte unser Wohnzimmer und mein Vater bereitete sich schon seit einigen Wochen auf einen sehr wichtigen Vortrag über seine Arbeit vor, der ihn möglicherweise mit einer Beförderung belohnte. Traurig malte ich mir aus wie dieser Tag wohl aussehen würde. Es war eine schlimme Vorstellung. Ich würde alleine in den Pausen herumsitzen. Ich würde Tyler sehen. Ich würde nicht mit ihr reden.
Benni würde mir das niemals verzeihen. Er war ja auch nur ein Mensch mit Gefühlen.
Doch schlagartig besserte sich meine Stimmung. Ich musste es wenigstens versuchen! Ich würde ihn heute um Vergebung bitten.

Als ich auf dem Schulhof ankam, hatte ich das Gefühl von allen angestarrt zu werden. Auch wenn es nur ein Gefühl war und alle wie immer duch die Gegend schauten, war mir schlecht. Ich guckte zu Boden.
“Benni”, rief es in meinem Kopf. Immer und immer wieder. Also blickte ich mich verzweifelt um und suchte zuerst auf dem Schulhof nach ihm und dann im Gebäude. Die erste Stunde hatte noch nicht begonnen, also ließ ich mir Zeit. Endlich sah ich ihn. In einer Ecke im Keller mit dem Gesicht zur Wand stand er da. Wieso mit dem Gesicht zur Wand?
“Benni!”, rief ich und verspürte das stärkste Glücksgefühl in meinem Leben. Noch nie freute ich mich so ihn zu sehen.
Er drehte sich zu mir um. Zuerst sah ich den geschockten Ausdruck in seinem Gesicht. Dann wanderte mein Blick zu der Person, die grinsend an der Wand lehnte und Bennis Hände an ihrer Hüfte liegen hatte.
Melly.

11. Kapitel

Es war das erste mal, dass ich die Schule schwänzte.
Nachdem ich mich schnell von meinem ersten Schock erholt hatte, war ich sofort aus der Schule gerannt. Ich nahm mir vor auch Benni nie wieder sehen zu wollen. Mein Herz war nun endgültig zerrissen. Wie konnte er mir nur so etwas antun?
Wenn man es genau betrachtete waren wir sogar noch zusammen! Ich hasste ihn! Ich hasste diese Welt! Ich hasste mein Leben!
Ich saß am Strand von Pensacola. Einsam, wütend und deprimiert. Würde ich denn je wieder lachen können? Ohne IHN?
Würde ich je wieder mit Tyler reden können? Könnte ich ihr verzeihen?
Könnte er mir verzeihen? Bei dem Gedanken an Benni bekam ich ein flaues Gefühl im Magen. Ich wollte einfach nicht das es zuende war. Ich würde ihm verzeihen. Aber ich wusste, dass das nicht der richtige Weg war und ich wusste auch, dass das nichts bringen würde. Es war aus. Für immer. Endgültig. Ich legte den Kopf in die Hände und weinte.
Am Strand war es leer. Es war Herbst. Also ein wenig stürmisch und rau an der See. Deswegen kam hier auch niemand mehr hin. Und erst recht nicht zu dieser Uhrzeit. Mittag. Eigentlich müsste ich ja in der Schule sein. Eigentlich.
Ich legte mich in den Sand und spürte eine angenehme Brise an meinem Gesicht. Ich atmete tief ein. Schon als kleines Kind hatte ich diesen frischen Duft der See geliebt. Und auch in diesem Augenblick tat er wirklich gut.
Was sollte ich tun? Ich konnte einem Leben mit Tyler, Benni, Sara und Melly und all den anderen, die mich im Moment nur noch ankotzten nicht aus dem Weg gehen. Sollte ich vielleicht abhauen? Nein, entschied ich. Das würde meinen Eltern den Rest geben. Sie hatten wie schon erwähnt wirklich genug andere Sorgen.
Ich wusste nicht weiter und so ließ ich weiter den Wind um mich herumtanzen und pfeifen. Ich lauschte den stürmischen Wellen, wie sie ganz in der Nähe an die Klippen klatschten. Am Strand schien das Wasser gar nicht mal so aufgewühlt zu sein.
Ich spürte, dass ich Gänsehaut bekam. Ein kalter Schauer durchfuhr mich. Ich begann zu zittern.
Schätzungsweise lag die Temperatur hier draußen bei nur 10 Grad Celsius. Erneut durchfuhr mich ein Schauer. Ich hatte nur ein T-shirt und eine Jeans an, da es in der Stadt wesentlich wärmer war.
Meine Gedanken wollten nicht von Benni abweichen. Ich sah ihn immer wieder vor mir. Mit seinem strahlenden Lächeln kam er auf mich zugelaufen, um mich in die Arme zu schließen. Diese Gedanken versetzten mir wieder einen fiesen Schlag in die Magengegend.
Ich würde mich ritzen. Da war also die Lösung auf all meine Probleme.
Aber was war wenn ich tatsächlich die “Lebensader” traf. Ich würde hier draußen in der Eiseskälte sterben und man würde mich erst in ein paar Tagen blutüberströmt finden. Vielleicht würden mich kleine unschuldige Kinder finden und ein Trauma erleiden. Vielleicht … aber … Moment mal … womit sollte ich mich überhaupt ritzen. Mist!
Aus einem nahegelegenden Laden hatte ich mir eine Flasche mit hochprozentigem Alkohol geklaut. Ich hab nicht auf den Namen von dem Zeug geachtet. Nur auf die Prozentzahl. Je mehr, desto besser. Aber diese Flasche war nun leer. Ich hasste mich dafür.
Ich hörte das Knirschen von Reifen auf dem Sand. Ich blieb liegen. Das Knirschen kam näher. Sollten sie mich doch überfahren.
Doch, oh Wunder, sie hielten ein paar Meter von mir entfernt an. Es war ein hellblauer Jeep. Aus dem nun drei starke, gutaussehende Typen ausstiegen, von denen zwei auf mich zugelaufen kamen. Ich kam mir vor wie in “Die Küstenwache”. Sowas aber auch. Der dritte Typ kam mit einer Art Arztkoffer dazu. Die beiden anderen hatten sich inzwischen neben mich gekniet, mich angesprochen und meinen Puls gefühlt. Ich war so müde und traurig. Ich wusste, dass ich schrecklich aussehen musste. Meine Schminke war nicht wasserfest! Oh, mein Gott!
“Sie atmet nicht mehr.”, hörte ich den Typen mit dem Arztkoffer sagen. Er schien verzweifelt. Moment mal. Was hatte er gesagt? Ich tat was? Schnell holte ich Luft. Irgendwie hatte ich das ganz vergessen und merkte nun auch wie sich meine Lungen wieder mit Luft füllten. Es war zwar unangenehm, aber doch ein gutes Gefühl.
“Ihr Puls ist zu niedrig, Louis.”
Louis, der Typ mit dem Arztkoffer fühlte meinen Puls. Er nickte und wühlte in seinem Arztkoffer herum.
Der Typ, der zuvor meinen Puls gefühlt und Louis Bescheid gegeben hatte, sprach mich nun an. Er sah übrigens verdammt gut aus.
“Kannst du mich hören?”
Ich nickte schwach. Alle meine Glieder waren schwer wie Blei.
“Max!” Der dritte Typ rief Max zu sich und der, der grade meinen Puls gefühlt hatte stand auf und lief zu ihm. Er hatte irgendetwas am Wasser entdeckt. Ich erinnerte mich schwach daran, dass ich da vorhin mal gesessen hatte.
“Sie hat sich übergeben.” murmelte der Typ. Max blickte nachdenklich zu mir. Und entdeckte dann die Flasche neben mir. Ich lag halb drauf. Aber das war mir egal. Nun spürte ich wie Max die Flasche unter mir wegzog und sie sich genau anguckte, während Louis mir etwas spritzte.
“Ruf einen Krankenwagen, Björn.” Björn! Was für ein dummer Name, dachte ich mir und schloss die Augen um zu vergessen.
“He. Bleib wach!”, vernahm ich Max Stimme von ganz weit weg. Ich war so müde. So unendlich müde.

Irgendjemand ohrfeigte mich. Wenn das Sara war … ich würde sie umbringen. Sie wird das nicht nochmal … Stopp!
Was war passiert? Ich konnte mich nicht erinnern.
Da klebte mir wer auch immer schon wieder eine! Jetzt war aber mal genug. Ich schlug die Augen auf und sah einen Typen über mir.
“Hey, sie ist wach, Max!”
“Endlich. Danke Louis.”
Ich sah mich um und sah einen zweiten Typen in einer Ecke des Zimmers sitzen. Er stand jetzt auf und setzte sich auf mein Bett.
Louis verließ das Zimmer. Ich war allein mit einem Fremden im Zimmer eines … Krankenhauses. Was tat ich hier?
“Hallo. Ich bin Max. Verstehst du mich?”
Ich nickte zögerlich.
“Du kannst dich an nichts mehr erinnern, oder?”
“Was wollen Sie von mir?”, wollte ich rufen, denn schließlich kannte ich den Typen überhaupt nicht. Aber ich bekam nur ein Krächzen heraus.
“Ich bin von der Küstenwache. Du warst sehr stark betrunken als wir dich heute morgen fanden.”
Aha. Ich war betrunken. Moment mal! Heute morgen? Wie lange lag ich dann schon hier herum? Meine Eltern starben warscheinlich grade vor Sorge.
“Keine Angst,” sagte Max, der meinen Gesichtsausdruck sofort zu deuten wusste. “deine Eltern sind informiert. Gut, dass du einen Schülerausweis dabei hattest.” Er lächelte.
“Aber was hast du dir dabei gedacht … Julie? Du hättest sterben können, das ist dir schon klar, oder? Du hast nicht nur die Schule geschwänzt, sondern auch noch mit deinem Leben gespielt!”
Ich riss die Augen auf. Mir fiel mit einem Schlag alles wieder ein und ich saß sofort kerzengrade im Bett.
Max schob mich wieder zurück und streichelte mir über die Haare, so wie Benni es immer getan hatte. Benni? Mir stockte der Atem und ich spürte wie wieder alles hochkam. Ich begann zu weinen.
“Julie?” Max schien verwirrt und verzweifelt. Ich schwieg. Dann fragte er ohne auf meine Gefühle rücksicht zu nehmen:
“Wieso hast du dich betrunken? Ich möchte dir nur helfen.”
Ich schilderte ihm so gut es ging die Geschichte ohne Einzelheiten zu erwähnen und verlangte dannach ein Glas Wasser, da sich mein Hals anfühlte, als wenn ich seit Tagen ohne etwas zu trinken in der Sahara irrte.
Während ich fast eine ganze Flasche Wasser hinunterkippte, nickte Max und lächelte aufmunternd.
Doch da ging auch schon die Tür auf und meine Eltern stürzten hinein. Max drückte mir unauffällig, die Nummer einer psychologischen Betreuerin oder so etwas in die Hand und verschwand. An der Tür zwinkerte er mir noch einmal zu und zeigte mir einen hochgestreckten Daumen, während meine Eltern schon begannen auf mich einzureden.

Meine Mutter schüttelte immer wieder den Kopf und mein Vater ging im Zimmer auf und ab. Früher hätte er mich damit ganz nervös gemacht. Aber jetzt war ich ein nichts. Mir war alles egal. Ich wollte meine beste Freundin nie wieder sehen und meinen Freund erst recht nicht. Meinen Ex-Freund. Ich hasste die Welt und sie mich anscheinend auch. Und vorallem meine Eltern. Sie drehten durch. Naja. Inzwischen hatten sie es eigentlich schon fast überwunden. Ob mein Leben je wieder normal werden würde?
Gute Frage. Tausend Punkte.
Ich konnte nicht mehr lachen. Und ich hatte das Gefühl, dass meine Tränendrüsen auch defekt waren. So wie ich. Nur ein weiteres kaputtes Modul an diesem Julie-Roboter. Ich war ein gefühlskalter Stein. Ein Etwas, das niemand wollte.
Ich musste wirklich sehr sehr deprimiert sein, dachte ich mir, wenn ich so etwas dachte.
Verwirrend.

12. Kapitel

Mein Krankenhausaufenthalt war ganz angenehm verlaufen. Ich konnte am Tag nach meinem “Unfall” schon wieder nach hause.
Von meinen Eltern hatte ich natürlich eine richtig fette Strafe bekommen. Ersteinmal sparten sie sich es mit mir zureden. Vertrauensbruch und so weiter. Und dann hatte ich Hausarrest bekommen. Zwei Monate. Es passte mir. Mit wem hätte ich mich auch treffen sollen? Ich hatte ja niemanden mehr.
Josh hielt ebenfalls Abstand von mir. Er tat so als wäre ich eine außerirdische Spezialität oder so. Was hatten ihm unsere Eltern nur wieder erzählt?
In der Schule wurde ich ähnlich behandelt. Anscheinend wussten sie alle bescheid. Benni war im Unterricht nur noch mit Melly beschäftigt. Händchen halten im Unterricht! So etwas gab es noch nicht einmal bei uns früher. Blödmann. Ich würde ihn auch noch einmal irgendwann zur Rede stellen.
Tyler hing mit komischen Mädchen aus der Stufe über uns ab, mit denen sie früher noch nie ein Wort geredet hatte. Auch mit ihr wollte ich mich wirklich gerne vertragen, aber wie sollte ich ihr verzeihen, dass sie mir meine erste wahre Liebe weggenommen hatte? Obwohl beste Freundinnen sich gegenseitig doch verzeihen können mussten, egal um was es ging, oder?
Ich hatte das Gefühl nur noch ein winziges Detail in der Welt zu sein. Eins was man gut übersehen konnte. Ich war nur noch ein Abdruck meines früheren Ichs. Ein Schatten. Wie sollte ich aus dieser Krise wieder herauskommen? Eine gute Frage, die noch sehr lange ohne Antwort bleiben müsste, dachte ich mir, während ich nach der Schule den einsamen Weg nach Hause antrat.
Mitten in Gedanken versunken, hörte ich eine Stimme hinter mir:
“Julie!”
Ich ging weiter. Wer wollte denn bitte etwas mit mir zu tun haben wollen. Mit einer leeren Hülle. Mit einer, mit der man nichts anfangen konnte. Doch die Stimme und die dazugehörige Person blieb hartnäckig.
“Julie, jetzt warte doch!”
Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich diese Stimme nun erkannt hatte. Ich ging noch schneller. Mist! Vor mir waren kleine, dumme Kinder, die anscheinend einen Rekord im Langsam-gehen aufstellen wollten. Konnten die denn nicht einfach mal beiseite …
“Julie!”
“Was?” Ich blieb stehen, drehte mich um und sah Tyler in die Augen. Sie sah furchtbar aus. Wenn ein Mensch auf der Welt in dieser Zeit noch schlimmer aussehen sollte als ich, dann war es Tyler. Ich hatte sie auf dem Schulhof immer ignoriert. Sie nicht angeblickt. Ihre Stimme in den Unterrichtsstunden ausgeblendet. Doch nun sah ich einem Gespenst in die Augen. Sie war blass und ich sah sofort, dass sie die letzten Nächte nicht geschlafen hatte. Nicht nur an den Ringen unter ihren Augen. Auch ihr ganzes Auftreten, ihre Ausstrahlung deuteten auf keine schönen letzten Tage für sie hin. Ich erkannte, dass sie noch vor kurzem geweint hatte. Keiner kannte sie so gut wie ich. Keiner … JULIE! Ich ermahnte mich selbst. Schließlich hatte ich grade Streit mit ihr.
“Ich wollte mich nochmal entschuldigen.”
“Aha.” gab ich genervt zurück und stapfte weiter. Sie eilte neben mir her.
“Bitte, Julie. Ich hab das echt nicht so gewollt.”
“Erzähl das deinem Hausschwein!”
“Kannst du es nicht nochmal mit mir versuchen? Hast du etwa einen Selbstmordversuch gestartet, wegen mir?”
“Nein. Wegen dir hab ich mindestens 3,5 Promille input gehabt. Dannach war ich im Krankenhaus und jetzt habe ich zwei Monate Hausarrest und werde von allen für eine durchgeknallte Psychopatin gehalten. Aber sonst gehts mir echt gut. Ich meine abgesehen davon, dass ich eine leere Hülle bin und nur noch lebe, weil mir sonst langweilig wäre und die Hölle nicht so ganz in mein Schema eines angenehmen Klimas passt.”
“Ich liebe dich!”
“Danke.”
“Tut mir so unendlich leid.”
“Machen wir sie gemeinsam fertig, Süße?”
“Immer doch. Ich steh auf Bitch-Fights, das weißt du doch.” Sie grinste. Und mit einem Mal kehrte ich wieder zurück in die reale Welt in der ich zuvor zwar auch war, aber irgendwie nicht lebendig. Wie ein Geist. Ich war froh wieder unter den Lebenden zu sein. Und ich war froh Tyler wieder an meiner Seite zu haben, denn jetzt wo es hart auf hart kommen würde, brauchte ich sie dringender als alles andere auf der Welt.
“Ty?”
“Was gibt es?”
“Danke nochmal.” Ich sagte das nicht nur so. Ich meinte es auch so. Ich war ihr dankbar. So dankbar wie nie zuvor. Noch mehr dankbar, als ich dankbar war, als sie mir damals in der zweiten Klasse von Edward, dem blöden, großen Arschloch aus der 4. Klasse, das kleinen Mädchen immer die Puppen klaute, meine Puppe zurückgeholt hatte.
“Klar. Ich bin immer für dich da.” Sie lächelte, so dass es mir noch wärmer ums Herz wurde. “Morgen!”
Morgen? Ich schaute sie fragend an. “Hä?”
“Na, morgen machen wir Melly und Sara endgültig fertig.”
“Ich hasse dich!” Sie grinste und boxte mir in die Seite.
“Oh, mein Gott. Ich dich auch.” murmelte sie dann und blickte mich ernst an. Schließlich lachten wir.
“Na gut! Ich hasse SIE.” SARA! MELLY! MELLY! MELLY! Die mir meinen Benni gestohlen hat. Die … hörte sich das jetzt irgendwie besitzergreifend an? Aber ich hasste sie schließlich wirklich. Mehr als alles andere. Morgen!
“Kommst du noch mit zu mir?”, fragte ich und sie bejahte.

“Ich muss da wirklich mal durchblicken. Das ergibt doch keinen Sinn. Ok. Vielleicht auch doch. Sara wollte Benni. Jeder wollte Benni. Aber warum grade Melly. Nur um mir eins auszuwischen? Mh … diese Kekse schmecken komisch. Oh, mein Gott die sind ja schon längst abgelaufen. Aber ich glaube, dass sie zu ihren Lebzeiten schon so abscheulich geschmeckt haben.”
“Stopp. Hatte diese noch miesere Miniausgabe von Sara dir nicht auf der Poolparty gedroht?” Ty durchbohrte mich mit ihrem Detektiv-Blick.
“Du hast recht. Das war sowas wie: ‘Halt dich von ihm fern, sonst bring ich dich um! Er ist mein! MEIN’. Ja so etwas in der Art hat sie glaube ich gesagt.” Ich schmunzelte, bei dem Gedanken an diesem Abend.
“Ach, ne. Was haben wir denn hier.”, murmelte Ty und zeigte mir das Ergebnis ihrer Recherchen an meinem PC.
“Sie haben bei Chat24.de schon geflirtet. Na, ist das nicht gut, dass ich in so vielen Chats angemeldet bin? Ach komm, Jules, freu dich doch mal!”
“Jaja.” Ich dachte nach. Wann hatten wir uns nochmal zerstritten? Am 2.10.!
“Die Nachricht ist vom 29.9.”, sagte Tyler ohne mit der Wimper zu zucken, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
“Dieses miese Arschloch! Ich werde ihn …”
“Schnucki! Wir müssen gar nichts machen. Lass mal die Gewalt aus dem Spiel. Wir werden ihn schon noch dran kriegen. Ich druck das aus und dann können wir ihn damit erpressen.”
“Eine super Idee, Ty! Du bist die Allerbeste.”

Das war aber leichter gesagt als getan!
Tyler, die versprochen hatte sich aus unserem Gespräch herauszuhalten, dennoch aber mitkommen wollte, lehnte nun gechillt wie immer an der Tür. Ich saß auf dem Bett. Benni stand mitten im Zimmer und schaute mich an.
“Julie. Ich hab es dir jetzt schon dreitausend mal gesagt! Es war ein Missverständnis.”
“Dann sagst du es mir eben nocheinmal zum dreitausendundersten Mal! Und erklärst es mir bitte.”
“Ich dachte, wir wären nicht mehr zusammen. Du warst so sauer und da dachte ich, dass es aus war.”
“Soso. Dachtest du das.”, zischte ich.
“Mh.”, brummelte er zur Antwort. Er schien ganz und gar nicht begeistert, dass Tyler und ich ihm einen Besuch abstatteten.
“Ein typischer Fall von ‘Scheiß-Missverständnis’ und ‘Jungen-sind-generell-und-ohne-Ausnahme-Arschlöcher’.”
Tyler letzte ihr triumphierendstes Lächeln auf. Auch sie war nun wieder voll und ganz unter den Lebenden. Die Blässe war mit einem Mal verschwunden.
“Ach. Ihr seid doch nur neidisch.” Ich merkte, dass Benjamin die Situation sehr unangenehm wurde.
“Wieso … wieso hast du schon als wir noch zusammen waren mit Melly geflirtet?”
Er lachte. Es klang fast diabolisch.
“Ich hatte damals noch nichts mit Melly. Außerdem bin ich dir keine Rechenschaft schuldig, Julie!”
“Ach nein?” Ich riss die Ausdrucke vom Chat24 aus meiner Tasche. “Und was ist das hier?”
Er guckte sie sich an und machte große Augen. Ich schätze mal, dass Rumpelstielzchens Stimmung, als es enttarnt wurde, ein Witz gegen seine jetztige war.
“Verschwinde.”, zischte er “Und lass dich nie wieder hier blicken! Verschwinde aus meinem Leben.”
“Viel Spaß dann noch mit Melly und Sara und all den anderen Zickenweibern!” Ich lächelte ihn zuckersüß an und fuhr mir verführerisch mit der Zunge über die Zähne. So etwas machte Jungs wild, hatte ich mal irgendwo gelesen.
Aber Benni hatte es verdient. Er war ein echter Macho. Zwar ein unglaublich süßer Macho, aber … was laberte ich da?
Er verführte alle Mädchen. Egal ob Blondine oder Brünette oder sonst was! Er war ein verdammtes notgeiles Arschloch!
Nach dieser Feststellung war ich glücklicher und fühlte mich besser.
Dann verschwanden Tyler und ich und ließen einen höchst entnervten Benjamin zurück, der bei mir eindeutig verkackt hatte.

13. Kapitel

Unsere Geschichte wurde zur Story der Woche, als sie sich erstmal in der Schule herumgesprochen hatte. Ich war zwar nicht die Heldin, aber auch nicht der kleine Looser, der von allen am Ende ausgebuht wurde. Die goldene Mitte war erreicht. Und Tyler und ich waren wirklich mächtig stolz auf uns.
Trotzdem, und ich muss zugeben, dass es schon schade war, waren Benni und Melly noch zusammen und zeigten das immer wieder und nach unserer Auseinandersetzung um so mehr. Sie genoss ihren Sieg von ganzem Herzen. Mir war es leider nicht ganz so egal, wie ich es mir gewünscht hätte. Er war trotz allem ein Teil meines Herzens geblieben. Und wenn er sie küsste, spürte ich ein Stückchen von diesem zerbrechen. Warscheinlich hätte er keine Probleme damit gehabt, wenn ich einen anderen küssen würde. Er war es schon gewohnt. Bei seinen vielen Freundinnen zuvor. Kein Wunder! Aber ich. Wie sollte ich das bitte überleben? Ihn jeden Tag mit MELLY zu sehen? Naja. Sie konnten ja nicht ewig zusammen sein, dachte ich mir, und das beruhigte mich.

“Und hast du schon mitbekommen was Sara von der ganzen Sache hält, Ty?”
“Noch nicht? Wieso?”
“Ach, sie wird bestimmt bald bei mir auftauchen und die Gewinnerin raushängen lassen. Aber wir halten dagegen. Nocheinmal verunstaltet sie mich nicht so! Das ist klar.” Ich betastete vorsichtig die kleine Narbe an meiner linken Schläfe. Man konnte sie nur bei genauem Hinsehen entdecken, aber sie störte mich trotzdem sehr.
Das sollte alles nicht unbezahlt bleiben. Sara würde ihre Lektion schon noch früh genug bekommen.
“Wenn man vom Teufel spricht, Jules. Sieh mal einer an. Wer kommt denn da angewackelt?” Ty deutete mit dem Finger auf Sara und ihre Zickenweiber, die wie aus reinem Zufall zu uns kamen.
“Deute nicht mit deinem schmutzigen Finger auf mich, schwarzes Mädchen!”, murmelte Sara und verpasste Tyler einen abschätzenden Blick. Ich kannte diesen Blick, wie viele andere, schon sehr gut von ihr. Mit dem Kopf leicht zurückzucken, von oben nach unten gucken und dann einen anzweifelnden Blick dazu. Alles gleichzeitig. Und taadaa … schon war ‘Der abschätzende Blick der Sara’ da. Toll. Oder?
“Was glotzt du so?” Da erlaubte diese blöde Kuh sich doch tatsächlich meine Blicke zu beurteilen?!
“Merk dir eins! Ich glotze nie! Und Tyler würde ich nie niemals ‘schwarzes Mädchen’ nennen. Sie kann nämlich was, was du nicht kannst! Und das nennt sich Tae Kwan Do!” Tyler hob eine Augenbraue und sah mich mit zweifelndem Blick an. Natürlich konnte sie kein Tae Kwon Do. Aber das musste ja niemand wissen.
“Tae Kwon Do ist eine koreanische Kampfsportart. Tae steht für Fuß, Kwon steht für Faust und Do für das Ziel! Geht das in deinen Schädel? Du kannst es dir auch so merken: Als erstes wird sie dir gegen das Schienbein treten und dann mit der Faust ins Gesicht schlagen. Wunderbar, ne? Wie einfach das doch ist. Für Menschen mit Gehirn jedenfalls. Bei dir bin ich mir immer noch nicht so sicher ob eines vorhanden ist. Aber ich komm da noch drauf …”
“So etwas zieht bei mir nicht!”, unterbrach mich Sara verächtlich.
“Lässt du mich bitte ausreden, sonst verpasst du das Wichtigeste. Denn was du warscheinlich noch nicht wusstest, Tae Kwon Do ist eine Kampfsportart für Menschen mit Köpfen! Es geht weniger darum Gewalt anzuwenden, als vielmehr darum, seinen Gegener mit klugen Gedanken umzulegen. Also, nur um das klarzustellen. Ich bin mir jetzt sicher. Das ist keine Sportart für dich. So ganz ohne Gehirn.”
“Halt dein verfaultes Maul, Julie!”, zischte sie und trat näher. Ich erkannte ihr Parfum: “Laura” von Laura Biagiotti. Also Geschmack hatte sie ja, diese Furie.
“Verfault, ja? Oh, und wie sollte man dann deines nennen, liebe Sara? Möglicherweise ‘am zerfallen’. Das kommt doch nach dem Verfaulungsprozess, oder täusche ich mich da?”
“Deine Sprüche langweilen mich. Ich bin es leid mich mit so etwas Erbärmlichen wie dir abzugeben.”
“Mh. Warum kommst du dann hierher? Zu mir? Und zu dem schwarzen Mädchen, das Tae Kwon Do beherrscht?” Ich konnte meine Freude nicht verbergen und musste Grinsen. Es war zu schön wieder einmal alle meine Sprüche an jemandem herauszulassen. Und noch schöner war es Sara und ihre Zickenweiber in dem Glauben zu lassen, Ty könne Tae Kwon Do. Ich begann laut zu lachen. Als erstes huschte ein verwirrter Blick über Saras Gesicht. Dann ein wenig Neugierde und dann purer Zorn. Das ließ sich gut durch die schöne rote Farbe feststellen. Ich musste noch mehr lachen. Auch Tyler war verwirrt, aber ich ließ mich nicht beirren und lachte so laut ich konnte. Ich war glücklich. Sehr sogar. Ich konnte sowas von gut über Sara lachen und sie lächerlich machen. Es war wirklich lustig. Und auf einmal vernahm ich merkwürdigerweise, was mich verwirrte, ein Kichern von der Seite der Zickenweiber.
Sara fuhr herum und schoss Blitze aus ihren Augen auf ein Mädchen, die Sara sehr ähnlich sah. Sie hatte denselben Style wie sie und die selben Gesichtszüge.
“Ellen!” schnauzte Sara jetzt das Mädchen an. Doch diese lachte nun viel lauter. Ich war verwirrt und hörte auf zu lachen.
“Es ist so lustig.” kicherte Ellen. “Dieses Mädchen ist so lustig.”
“ELLEN!” Sara schüttelte Ellen, so dass man annehmen musste diese sei ein Milchshake oder etwas dergleichen.
“Ellen ist doch ihre Schwester.” flüsterte mir Tyler ins Ohr. Ich staunte. Doch Sara drehte sich in diesem Moment um und ich klappte den Mund wieder zu.
“Was gibt es da zu glotzen? Ihr seid doch irre geworden. Ellen, verpiss dich. Von mir aus kannst du zu Julie gehen, du dreckige, kleine Verräterin.” Und schon stolzierte das tomatenfarbene Oberzicklein davon. Dicht gefolgt von ihren kleinen Zickenweibern.
Als ich mich wieder zu der mutigen kleinen Ellen, die es gewagt hatte sich ihrer Schwester zu widersetzen, umdrehen wollte, sah ich diese nur noch zu anderen in ihrem Alter laufen. Glücklich, nahm ich an.
“Wunderbar. Diese süßen, kleinen Geschwister. Oder?” Tyler guckte mich verträumt an und ich zog sie in Richtung Schulgebäude.

Nach der Schule saßen wir bei Tyler zuhause und aßen Apfelkuchen.
“Das war ja mal gar nichts mit dem großen Sara-Fertigmachen oder?”
“Voller Reinfall.” stimmte ich meiner besten Freundin zu.
“Ich glaube die werden wir einfach nicht los.”
“Ich möchte wirklich nicht, dass du Recht hast.” Es musste doch einen Weg geben Sara so richtig fertig zu machen. Aber wie?
“Aber wenn nicht ist es doch auch nicht schlimm. Komm schon. Wir sind glückliche Singles, die auch ab und zu ein bisschen Zickenkrieg vertragen könnten oder nicht? Auch Singels brauchen den nämlich. Ganz bestimmt. Und außerdem … ohne Jungs ist die Welt tausendmal geiler.” Ich gab Ty einen Klaps auf den Mund. Sie grinste mich keck an.

In diesem Moment dachte ich, dass das Leben kaum schöner sein konnte. So ging das. Im einen Moment war man so down, dass man sich betrank und im nächsten war sein Leben wieder das beste an einem. Merkwürdig. Irgendwie. Aber auch schön. Obwohl ich Benni für immer und ewig verloren hatte … BENNI WAR EIN ARSCHLOCH! Merk dir das, Julie! Also nein! Sowas aber auch! Verschwende nie wieder, niemals wieder einen Gedanken an diesen … diesen Hund! Dieses notgeile Macho-Arschloch. Es sei denn es ist um ihn auszulachen. Das wäre nicht so furchtbar. Hauptsache war: Tyler und ich waren wieder unzertrennlich! Jetzt musste ich nur noch ätzende Eltern, einen kleinen, nervigen Bruder und gewisse andere Personen umbringen. Oder jedenfalls für einige Wochen von dieser Welt verbannen.

“Julie. Ich ahne, was du denkst. Diesen Blick kenne ich. Lass mich raten. Du planst jemanden umzubringen?”
“You’ve got it!”
“Aha! Wer muss diesmal wieder dran glauben?”
“Ty! Ich habe Mordabsichten. Du bist zwar meine beste Freundin, aber deshalb verrate ich dir noch lange nicht wen ich gedenke umzubringen! Also nein!”
“Hätte ja sein können.” Sie begann zu lachen. Und auch ich kicherte los.

14. Kapitel

“Du bist in letzter Zeit so … unkontaktfreudig.”, murmelte Benni und sah mich mit einer Mischung aus Ärger und einem flehenden Dackelblick an. Ging das überhaupt?
“UNKONTAKTFREUDIG?” Ungläubig starrte ich ihn an. Zugleich war ich auch ein bisschen stolz, dass ich das Wort UNKONTAKTFREUDIG, so ganz ohne mich zu verhaspeln, aussprechen konnte.
“Ja. Ich meine, du gehst mir aus dem Weg und wenn ich dich grüße, ignorierst du mich.”
“Ehm …”
“Was ist los?”
Sag mal waren Jungs von Natur aus so dumm oder war das ein typisches Phänomen der Gattung Benni? Ich war kurz vor dem Verzweifeln. Wir hatten eigentlich schon seit ca. drei Monaten nicht mehr miteinander geredet. Also seit wir uns zerstritten hatten. Und gegrüßt hat er mich ganz ganz sicher nie! Oder? Naja … vielleicht hat er ein oder zwei Mal auf dem Flur gewunken oder sowas. Aber muss man da sofort zurückgrüßen und dämlich grinsen als wäre da nie etwas zwischen uns gewesen?
Übrigens: Benni und Melly waren nicht mehr zusammen. Aber Melly verabscheute mich jetzt noch mehr als vorher. Im Gegensatz zu Benni, der, wie Ty meint, jetzt endlich merkt, was er da einfach hat links liegen lassen. Tja. Jungs eben.
“Öhm. Also ganz abgesehen davon, dass ich seit ca. 3 Monaten nicht mehr mit dir geredet habe, weil du mich nie wieder sehen wolltest, meinst du? Ja, also abgesehen DAVON, ist gar nichts los. Mir gehts wunderbar. Danke der Nachfrage.” Mit den Worten drehte ich mich um und wollte in Richtung Tyler gehen, die vor dem Schulgebäude auf mich wartete. Ich spürte seine Hand an meinem Arm und er hielt mich fest.
“Julie. Bitte.”
“Was?” Ich drehte mich mit dem genervtesten Gesichtsausdruck den ich jemals aufgesetzt hatte, seit ich denken konnte, zu ihm um.
Er schien verwirrt.
“Ich … ich …”
“Mh … wolltest du dich entschuldigen? Wenn ja? Tut mir leid. Da hättest du dich am Anfang des Jahres in meinen Terminkalender eintragen lassen müssen. Jetzt bin ich ausgebucht und … uups … ich muss los. War echt nett mal wieder mit dir geplaudert zu haben. Nur jammerschade, dass ich nicht mehr Zeit für dich und deine sowieso erbärmlichen Entschuldigungen hab. Vielleicht holst du dir einfach am Ende dieses Jahres einen Termin für das nächste und dann sehen wir weiter. Bis dann.”
So dumm hatte ich ihn tatsächlich noch nie gucken sehen. Doch ich blieb hart, drehte mich um und ging zu Tyler.

“Was hast du getan?” Tyler klang schon fast schockiert.
“Gar nichts! Ich hab ihm nur mitgeteilt, dass ich für dieses Jahr ausgebucht bin. Für ihn jedenfalls.” Ich grinste.
“Du? gehen wir heute Eisessen? Am Strand soll so ein neues Eiscafe aufgemacht haben.”
“Super Idee!” Ich liebte Eis! Vorallem am Strand. Obwohl der Strand von Pensacola wirklich nicht als Strand zu bezeichnen war. Ein kleines Fleckchen in der Landschaft mit ein bisschen Wasser davor. Das Wasser war grün!
“Ich nehm Vanille! Und Schoko!”
“Süße, seit wann überlegst du dir bevor du in die Eiskarte schaust was du essen willst? Das ist ja mal gar nicht dein Ding. Also gar nicht!”
“Kalorien!” Ty grinste.
“Du und Kalorien?” Ich musste lachen.

Toll dieses Eiscafe, dachte ich, als wir das Cafe betraten. Es war wirklich groß und unglaublich modern und angenehm dekoriert. Ich merkte sofort, dass ich mich wohl fühlte. Aber als ich aus dem Fenster sah, fühlte ich deutlich einen Schlag in die Magengegend. Es war der Ort an dem ich von der Küstenwache als Halb-Leiche gefunden wurde. Direkt vor diesem Eiscafè. Aber ich glaube, damals (es ist ja schon einige Monate her) war das Eiscafè noch eine Bauruine.
Trotzdem. Es war kein gutes Gefühl.
“Du musst endlich mit deiner Vergangenheit Schluss machen! Sonst holt sie dich immer wieder ein, Süße!” Tyler sah von ihrer Eiskarte auf, nahm meine Hand und steichelte sie.
Danke lieber Gott, dass du die beste Freundin geschaffen hast!
Ich lächelte und riss ihr die Eiskarte aus den Händen.
“Na, was haben wir hier denn so?”, dachte ich laut nach.
“Gott!”, lautete die Antwort was mich ein wenig beunruhigte, da Tyler eigentlich dem Synkretismus oder so etwas angehörte und die, so glaubte ich mich zu erinnern, keinen Gott hatten. Oder jedenfalls nicht unseren christlichen Gott.
“Ich glaube nicht, dass der in der Speisekarte steht.” murmelte ich und sah Tyler an. Dann folgte ich ihrem Blick zur Tür.
Gerade waren zwei Jungen in unserem Alter hinein gekommen. Der eine von ihnen war groß und schlank (er hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einem bekannten Fußballspieler, dessen Namen mir nicht einfallen wollte) und hatte kurze schwarze Haare, die er vorne hochgegeelt hatte. Er trug karierte Shorts, Hemd und Vans. Prachtjunge!
Aber der andere gefiel mir fast besser. Er hatte kein Oberteil an (war auch ziemlich heiß draußen) und trug grau-braune Shorts, dazu Flip-Flops. Mein Gott hatte der einen Bauch! Solch ein muskulöses Six-Pack hab ich selten gesehen. Braun gebrannt war er auch. Er hatte (ich musste leider feststellen: wie Benni) wuschelige blonde Haare und tolle strahlende blaue Augen, die komischer Weise direkt zu mir schauten. Auf seinen Lippen war ein süßes Lächeln. Tausendmal süßer als … hör auf immer alle Jungs mit diesem bescheuerten Benni zu vergleichen!
Sie kamen beide auf uns zu und mir stockte der Atem. Auf einmal nuschelte Tyler irgendetwas von ‘wir müssten dringend auf Toilette’, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich war wie erstarrt.
“Hey!”, sagte der tolle Typ und lächelte mich an.
“Huhu.”, brachte ich zaghaft heraus, es klang warscheinlich eher wie … etwas anderes.
“Ist bei euch hübschen Mädels noch was frei?” fragte der Typ bei dem Tyler anfing zu sabbern. Unglaublich, sie starrte ihn richtig gierig an.
“Na, klar.” murmelte ich schließlich und rückte ein Stück zur Wand. Der süße Typ setzte sich neben mich und der mit den schwarzen Haaren neben Ty. Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd. Schlimmer, wie ein grinsendes und glückliches Honigkuchenpferd. Zudem war sie ein bisschen rot angelaufen.
Ich begutachtete das Six-Pack neben mir, während sich die Jungs etwas bestellten.
“Jonas, ich glaube du wirst beobachtet.” flüsterte Ty’s Typ Jonas, meinem Six-Pack-Gott zu. Ich erschrak und grinste ihn verlegen an.
“Hey. Ich bin Jonas.” sagte dieser daraufhin zu mir.
“Julie. Das ist meine Freundin Tyler. Oder Ty. Oder …”
“Keine Spitznamen-Auflistung bitte, Süße.” Tyler schmunzelte und wandte sich dann an ihren Sunnyboy.
“Und du?”
“Ich heiße Luke. Und ich glaube heute ist mein Glückstag …” Den Rest von Lukes Flirtversuchen blendete ich aus und drehte mich zu Jonas um, der mich schon wieder anlächelte.
“Kommst du aus Pensacola?”
“Jep.” War seine Antwort und ich begann mich zu freuen.
“Und du auch, nehm ich mal an.” Ich nickte und nahm einen Schluck Kokosshake.
“Du bist echt süß.” sagte er in diesem Augenblick und ich hörte Benni in meinem Kopf schreien. Ein letztes Mal. Dann war er weg. Für immer. In meinem Herz war jetzt wieder Platz für neue Jungs. Für Jonas. Ich hatte es geschafft und Benjamin Miller war aus meinem Herzen, jedoch nicht aus meinem Leben verschwunden. Aber jetzt war es wirklich mal wieder Zeit für neue Erfahrungen. Jetzt, so kurz vor meinem 16. Geburtstag.
Ich biss mir auf die Lippe und begann zu flirten.

Danksagung:

Ich möchte all meinen Freunden und vorallem meiner Familie danken, die mich sehr unterstützt haben, während ich dieses Buch geschrieben habe (Dass das hier ein Buch wird hätte ich übrigens niemals gedacht!). Vorallem meinen Eltern, die sich als sehr gute und geduldige Zuhörer und Kritiker erwiesen haben.
Dann muss ich noch meiner besten Freundin Vany danken, dass sie immer für mich da war, mein Buch Probegelesen hat, mir Schmink- und Modetips für die supergestylten Hauptcharaktere gegeben hat und, dass sie mir eine Vorgabe für Julies beste Freundin Tyler gegeben hat. Ich hab dich lieb.
Außerdem danke ich meinen sehr geliebten Großeltern, die diese Geschichte ebenfalls schon probelesen durften/mussten! Nervtötende Jugend-Liebes-Romane mit sinnlosen Vulgärausdrücken und Großeltern … verstehen die sich denn? Anscheinend.
Vielen Dank auch an mein großes Vorbild Mary Janice Davidson, die mich zu dieser Geschichte, einigen Ausdrücken darin und den Hauptpersonen durch ihre Betsy-Sinclair-Romane sehr inspiriert hat!
Dann danke ich natürlich noch meiner Grundschullehrerin Frau Leichsenring, die mir das Schreiben erst möglich machte (das Lesen mit einbezogen!).
Danke an euch alle!


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